Kellnerin

Arbeitszeitkontrolle als Prozessfalle

​Da hat der Wirt die Rechnung ohne den „Koch“ gemacht: Im Überstundenstreit stellte das Arbeitsgericht auf die privaten Aufzeichnungen des Angestellten ab, weil die Arbeitszeitkontrolle des Gastwirts offensichtlich falsch war. Mit massiven finanziellen Konsequenzen für den fehlbaren Arbeitgeber.

Ein Wirt wollte Lohnkosten „sparen“ und tappte in eine Prozessfalle. Mittels unzutreffender Einträge in der obligatorischen Arbeitszeit-Kontrolle wies er zu wenig Arbeitszeiten aus. Unter anderem deklarierte der Arbeitgeber Ruhetage, an denen der klagende Koch nachweislich gearbeitete haben musste, weil er z.B. einen Arbeitsunfall erlitten hatte, oder, anstatt die ausgewiesenen Ferientage zu geniessen, tatsächlich Lieferpapiere für Frischware unterzeichnet hatte. Aber auch sonst konnte von einer korrekten Arbeitszeitkontrolle keine Rede sein: So waren die Arbeitszeiten nicht tage-, sondern nur wochenweise festgehalten, was dem Sinn dieses Kontroll- und Führungsinstruments nicht entspricht. Es soll nämlich sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Arbeitnehmer jederzeit Auskunft über die aktuellen Arbeits- und Freizeit-Saldi geben. Auch gestand der beklagte Arbeitgeber in der richterlichen Befragung, dass er die Arbeitszeiterfassung zum Teil für mehrere Monate erst im Nachhinein „aus der Erinnerung“ verfasst hatte, da er angeblich die Originale nicht mehr habe auffinden können. Dazu muss man wissen, dass sich der Koch geweigert hatte, weiterhin die Monats-Kontrolle im Voraus blanko zu unterzeichnen. Eine widerrechtliche Praxis, die von früheren Mitarbeitenden als Zeugen bestätigt wurde.

Nun lautet zwar eine Grundregel des Prozessrechts, dass derjenige eine behauptete Tatsache zu beweisen hat, der aus ihr Rechte ableitet. Konsequenterweise müsste also der klagende Koch die behauptete Anzahl unbezahlter Überstunden beweisen. Der allgemeinverbindliche Landes-Gesamtarbeitsvertrag für das Gastgewerbe hat diese Grundregel aber faktisch umgekehrt, indem er den Arbeitgeber obligatorisch zur Arbeitszeit-Erfassung/-Kontrolle verpflichtet (Art. 21 L-GAV). Kommt der Arbeitgeber seiner Buchführungspflicht nicht nach, wird eine Arbeitszeit-Erfassung/-Kontrolle des Mitarbeiters im Streitfall als Beweismittel zugelassen. Wen wundert’s, dass im vorgestellten Fall das Arbeitsgericht nicht auf die offensichtlich falsche Arbeitszeit-Buchhaltung des Arbeitgebers abstellen mochte. Dagegen erachtete es die privaten Aufzeichnungen des klagenden Kochs als glaubwürdig. Diesen war überdies zu entnehmen, dass der Allein-Koch oftmals sechs Tage pro Woche arbeiten musste, was die stattliche Anzahl Überstunden plausibel machte, für welche er entschädigt werden wollte. Als ein Indiz für die wahrscheinlichere Richtigkeit der klägerischen Aufzeichnung nannte das Gericht u.a. die von Tag zu Tag variierenden, realistischen Arbeitszeiten, welche der Lebenserfahrung in solchen Gastronomiebetrieben näher kam als die über Monate starr gleichbleibenden Tagesarbeitszeiten in der „Buchführung“ des Arbeitgebers. Im Ergebnis sprach das Gericht dem Koch den grössten Teil der von ihm geltend gemachten Überstunden zu, was notgedrungen in der Schlussabrechnung auch zu einem entschädigungspflichtigen Ruhetags- und Ferien-Guthaben führte.

Fazit: Falschdeklarationen in der Arbeitszeitkontrolle lohnen sich – gemessen am Aufwand und dem Risiko – erfahrungsgemäss nicht. Wenn sie auffliegt kommt es – abgesehen von den möglichen straf- und bewilligungsrechtlichen Konsequenzen – viel teurer.​

© by Dr. iur. Peter P. Theiler | CH-8001 Zürich | www.gastrolegal.ch ​

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