Kellnerin mit Tablett

Darf der Arbeitgeber mit Bekleidungs-Vorschriften den tiefen Ausschnitt und das Make-up vorschreiben?

Speziell im Gastgewerbe sowie an Messen wie der IGEHO sind Vorschriften zur Arbeitskleidung häufig: Klassisch ist das „Schwarz-W eiss“-Outfit im Service, die dunkelblaue Uniformen an der Reception, und typisch die Arbeitskleidung der Köche mit Toque. Während letztere vor allem mit Hygiene- und Sicherheitsbelangen zu tun haben, orientieren sich erstere weitgehend am jeweiligen Kundenbedürfnis, welches je nach Betriebsart unterschiedlich sein kann. Und sind die Kleideranforderungen für Herren in der Regel moderat, fallen die Vorschriften für Damen regelmässig viel detaillierter aus. Nicht selten umfassen sie nebst der adäquaten Kleidung auch Haar- und Gesichtspflege inklusive Make-up, Lippenstiftfarbe, Fingernägel, Schmuck inklusive Tatoos und Piercings, Farbe der Unterwäsche zu Blusen sowie der obligatorisch zu tragenden Strümpfe, das Tragen von Pumps mit vorgeschriebener Absatzhöhe etc. – Aufsehen erregte kürzlich die Tessiner-Filiale einer bekannten Fastfood-Kette, welche gar einen Make-up-Zwang für Damen einführen wollte.

Berufskleidung im Arbeitsrecht

Im Berufsalltag wird die Arbeitskleidung immer wieder zum Streitpunkt. Zu denken ist an Differenzen wegen zu saloppen Auftretens von Mitarbeitern statt im Betriebs-Tenue oder wegen zu auffälligem Aufzug von Mitarbeiterinnen. Aber nicht nur Art und Weise der Berufskleidung geben zu reden, sondern auch deren Finanzierung. Deshalb verwundert es nicht, dass die Kleiderfrage in Gesamtarbeitsverträgen und Betriebsreglementen sowie Einzelarbeitsverträgen stark präsent ist. Doch wo liegen die Grenzen solcher Regulierungen?

Regelungsmöglichkeiten

Weder im Obligationenrecht noch im Arbeitsgesetz und seinen Verordnungen findet sich der Begriff „Berufskleidung“. Nur indirekt schreibt der Gesetzgeber an verschiedenen Stellen – und auch nur dis-positiv vor (d.h. man darf einvernehmlich von der Vorschrift abweichen), dass der Arbeitgeber den Angestellten das für die Vertragserfüllung erforderliche Material zur Verfügung stellen oder, falls sie es mit seinem Einverständnis zur Arbeit mitbringen, entschädigen muss (Art. 327 f. OR). Sodann existieren Reinigungsvorschriften für Arbeitskleidung bei starker Verunreinigung (Art. 28 ArGV3). Anstelle des Gesetzes fasst die Lehre unter dem Oberbegriff „Arbeitskleidung“ die „Berufskleidung“(d.i. Kleidung für bestimmte berufliche Tätigkeiten, wie Koch), welche ihrerseits die „Dienstkleidung / Uniform“ (z.B. Reception oder Concierge), sowie die „Schutzkleidung“ (z.B. Schuhvorschriften für Küche) beinhaltet. 

Kleidervorschriften finden sich im Gastgewerbe – nebst Art. 30 L-GAV; hinten - meistens in den All-gemeinen Anstellungsbedingungen sowie in den Einzelarbeitsverträgen, was bedeutet, dass solche Regeln der Zustimmung beider Arbeitsvertragsparteien bedürfen und grundsätzlich nicht einseitig abgeändert werden können.

Zudem kann bzw. darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmenden auch einseitig, mündliche oder schriftliche Weisungen zur Ausübung der Arbeit erteilen, was eine typische Folge des sogenannten Subordinationsverhältnisses im Arbeitsvertrag darstellt (Art. 321d OR). Eine besondere Ausprägung sind die Verhaltensanweisungen, welche die Arbeitskleidervorschriften mitumfassen.

Regulierungsgrenzen für Verhaltens- bzw. Bekleidungsvorschriften.

Die Schranken für Verhaltens- und insbesondere für Bekleidungsvorschriften ergeben sich aus grundlegenden Rechtsnormen wie dem Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers (Art. 27 ZGB u. Art. 328 OR) und der Pflicht zum Handeln nach Treu und Glauben (Art. 2 ZGB). Deshalb sind Weisungen unwirksam, welche widerrechtlich, unmöglich oder unsittlich sowie gesundheitsschädlich sind. Unzulässig sind Weisungen, welche öffentlich-rechtlichen Schutznormen zuwiderlaufen. Und allgemein hat der Arbeitnehmer nur Weisungen zu befolgen, welche im Hinblick auf die zur Vertragserfüllung erforderlichen Verhaltensweisen und Handlungen nach Art und Inhalt zumutbar und nicht schikanös sind. Soweit nur bestimmte Arbeitnehmergruppen, beispielsweise nur Frauen, von solchen Vorschriften betroffen sind, stellt sich immer auch die Frage, ob nicht Diskriminierungsverbote tangiert werden.

Allerdings kann diese Grenzziehung nicht allgemein erfolgen, sondern nur bezogen auf den Einzelfall. So darf der Arbeitgeber in einem Restaurant- oder Hotelbetrieb beispielsweise dem weiblichen Personal das Tragen von High-Heels wohl aus Arbeitssicherheits- und Dresscode-Gründen verbieten, nicht aber deren Tragen zur Arbeit vorschreiben; anders wohl in einem Night-Club, wobei mir kein solcher Streitfall bekannt ist. Hingegen hat sich kürzlich eine Versicherungsangestellte in England erfolgreich gegen die Vorschrift zum Tragen von Pumps gewehrt. - Ebenso wäre unzulässig, den Herren im Service das Tragen von brustweit geöffneten Hemden oder kurzen Hosen vorzuschreiben, bzw., den Damen das Tragen von tiefen Ausschnitten oder Miniröcken. – Ob das für ein Cabaret-Dancing ebenso gilt, möchte ich an dieser Stelle offen lassen. – Und bekanntlich widersprechen beispielsweise die Kleidervorschriften für männliche und weibliche Angestellte von „Oktoberfest-Betrieben“ oftmals den Durchschnittsnormen, ohne dass es diesbezüglich zu Arbeitskonflikten käme. Denn immerhin ist die Arbeit in einem bestimmten Betriebstyp eben auch einvernehmlicher Vertragsinhalt. – Wie gesagt, richtet sich die Anwendung der oben genannten Rechtsgrundsätze immer nach den Umständen des konkreten Einzelfalles.​

Fazit: So gesehen dürfte die eingangs aufgeworfene Frage nach Make-up-Vorschriften wahrscheinlich in dem Sinne zu beantworten sein, dass in den meisten Gastgewerbebetrieben richtigerweise keine Schminkpflicht besteht, sondern lediglich die Pflicht zu einem gepflegten Auftreten; falls freiwillig geschminkt wird, hat dies dezent zu bleiben. – Für einen Szene- oder Nachtclub-Betrieb dürfte diese Lösung jedoch kaum passen.

Und zum Schluss ...

Soweit der Arbeitgeber Berufsbekleidung vorschreibt, hat er sie – dispositiv - auch zu beschaffen und zu bezahlen sowie deren Unterhalt zu entschädigen (vgl. ausführlich Art. 30 L-GAV, Art. 327 OR). Für Schutzkleidung ist diese Vorschrift sogar zwingend (Art. 27 ArGV3). Dies gilt aber nicht für gewöhnliche Arbeitskleidung (vorne). - In diesem Rahmen sind abweichende Vereinbarungen möglich. So gelten nach der Praxis zur Art. 30 L-GAV für den Service schwarze Hosen / Jupes und weisse Hemden / Blusen / T-Shirts nicht als besondere Dienstkleidung, weshalb die Wäscheentschädigung entfällt.

Falls der Arbeitgeber die Kleidung bezahlt, ist er deren Eigentümer und kann bestimmen, ob sie auch privat getragen werden darf oder nicht. – Gehört die Arbeitskleidung dem Arbeitnehmer, darf er sie auch privat tragen – allerdings wiederum nur im Rahmen seiner Treuepflicht, will heissen, er darf beim privaten Tragen dieser Kleidung nicht den berechtigten Interessen sowie dem Ansehen des Arbeitgebers schaden (Art. 321a OR).

© by Dr. iur. Peter P. Theiler | CH-8001 Zürich | www.gastrolegal.ch | GOURMET-Rechtsartikel 2017/11


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