Diebstahl im Hotel
Das Ehepaar Müller hat am Vormittag voll Vorfreude auf die bevorstehende Hochzeit ihrer Tochter im Hotel eingecheckt, in welchem am Abend die grosse Feier stattfinden soll. Doch oh Schreck, als sie am Abend das Hochzeitgeschenk – ein wertvolles Collier aus dem Familienschmuck - aus dem Koffer nehmen wollen, ist dieses nicht mehr auffindbar. Muss der Hotelier für den Schaden aufkommen?
Wann haftet der Hotelier?
Mit der gewerbsmässigen Gewährung von Unterkunft wird ein Beherbergungsvertrag mit dem Gast abgeschlossen, und der Hotelier haftet für die eingebrachten Sachen, sofern nicht Entlastungsgründe vorliegen (Art. 487 ff. OR). Das Gesetz enthält eine Aufzählung der verschiedenen Entlastungsgründe, auf die sich der Hotelier berufen kann (Verursachung des Schadens durch den Gast selber, durch Personen, für die der Gast verantwortlich ist, durch die Beschaffenheit der Sache oder durch höhere Gewalt). Bis zum Betrag von Fr. 1‘000.- haftet der Hotelier gar verschuldensunabhängig (d.h. kausal). Im Rahmen dieser Kausalhaftung kann er sich nicht von der Haftung befreien, indem er nachweist, alle für die Verhinderung des Schadens notwendige Sorgfalt aufgewendet zu haben.
Zur Wahrung seiner Ansprüche ist der Gast verpflichtet, den Schaden sofort nach dessen Entdeckung dem Hotelier anzuzeigen.
Gilt diese Haftung des Hoteliers auch für das wertvolle Collier des Ehepaars Müller?
Achtung: Das Gesetz enthält eine Sonderregelung für Kostbarkeiten, grössere Geldbeträge oder Wertpapiere, die der Gast mit sich ins Hotel nimmt (Art. 488 OR). Soweit zumutbar, muss der Gast diese Gegenstände dem Hotelier zur Aufbewahrung übergeben. Verzichtet der Gast auf die Übergabe, so haftet der Hotelier nur bei Verschulden.
Hat der Gast dem Hotelier demgegenüber den wertvollen Gegenstand zur Aufbewahrung übergeben oder übergeben wollen und dieser hat die Aufbewahrung abgelehnt, so haftet der Hotelier für den vollen Wert. Durch diese gesetzliche Folge bei der Ablehnung der Aufbewahrung durch den Hotelier besteht für diesen ein indirekter Zwang zur Entgegennahme von wertvollen Gegenständen. Der Hotelier kann sich schliesslich seiner Haftung nicht entziehen, indem er in den Räumen Anschläge anbringt oder in den allgemeinen Bedingungen festhält, dass er eine Haftung für Diebstahl ablehnt. Immerhin ist der Hotelier nicht verpflichtet, rund um die Uhr Wertsachen zur Verwahrung entgegenzunehmen. Diesbezüglich empfiehlt es sich, beim Abschluss des Beherbergungsvertrages auf die Öffnungszeiten des Hoteltresors hinzuweisen.
In unserem Beispiel müsste sich das Ehepaar Müller wohl den Vorwurf entgegenhalten lassen, dass es zumutbar gewesen wäre, bis zum Beginn der eigentlichen Feier das kostbare Geschenk – Teil des Familienschmuckes – dem Hotelier zur Aufbewahrung in den Tresor zu übergeben. Da Müllers dies unterlassen haben, haftet der Hotelier nur, wenn ihm oder seinen Angestellten ein Verschulden zur Last fällt.
Wie wäre die Haftung, wenn Frau Müller das Schmuckstück nicht als Geschenk sondern für ihren eigenen Bedarf mit sich führte?
Anders könnte es aussehen, wenn es sich beim Schmuck nicht um ein Geschenk handelt, sondern um ein Collier, das Frau Müller für sich selber mitführt. Selbst bei einem teureren Schmuckstück ist in einem Luxushotel dem Gast wohl zuzugestehen, dass er auch teureren Schmuck griffbereit bei sich hat. In einem solchen Fall, in welchem dem Gast die Übergabe der Wertgegenstände nicht zugemutet werden kann, haftet der Hotelier für diese Gegenstände wie für die andern Sachen des Gastes (Art. 487 OR). Die Zumutbarkeit der Hinterlegung kommt immer auf den Einzelfall an. So könnte derselbe Sachverhalt wieder anders gewürdigt werden, wenn das Ehepaar Müller nicht in einem Luxushotel abgestiegen ist sondern in einem einfachen Gasthaus.
Würde der Hotelier haften, wenn es sich beim Schmuckstück von Frau Müller nur um Modeschmuck mit geringem Wert handelte?
Ebenfalls zu einem anderen Ergebnis würde es führen, wenn nicht ein teures Schmuckstück sondern nur ein billiges Modeschmuckstück entwendet wird. Hat das Modeschmuckstück einen geringeren Wert als Fr. 1‘000.-, haftet der Hotelier verschuldensunabhängig für die Entwendung der eingebrachten Sache.
Empfehlung
Die Haftung des Hoteliers bei Diebstählen im Hotel hängt von verschiedenen Faktoren ab. Der Hotelier ist zwar gut beraten, wenn er sich gegenüber seinen Gästen bei solch unerfreulichen Ereignissen grundsätzlich kulant zeigt. Bei grösseren Schäden aber ist es empfehlenswert, nicht vorschnell Schadenersatz zu leisten, sondern die Rechtslage von Experten prüfen zu lassen.
© by Dr.iur. Eliane E. Ganz, LL.M. | CH-8001 Zürich | c/o GastroLegal | Dr. iur. Peter P. Theiler, Zürich | www.gastrolegal.ch |