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Fristlose Entlassung des Betriebsleiters?

Darf der Betriebsleiter eines Restaurants fristlos entlassen werden, wenn er Einnahmen aus Miete und Events weiterhin buchhalterisch fragwürdig verbucht, obwohl ihn die Arbeitgeberin schon wegen finanzieller Unregelmässigkeiten schriftlich verwarnt hatte? – Das Bundesgericht meint NEIN, aber lesen Sie selbst.

​Was ist passiert?

*Antonio Creativo (*alle Namen geändert) arbeitete ab Oktober 2008 als Betriebsleiter des Restaurants *“Al Borsa“ bei der beklagten *Corretta AG. - Am 11. August 2009 verwarnte die Arbeitgeberin den Betriebsleiter schriftlich wegen finanzieller Unregelmässigkeiten, mangelhafter Durchführung der Inventur und mangelnder Präsenz. – Mit Schreiben vom 16. Oktober 2009 kündigte der düpierte Betriebsleiter den Arbeitsvertrag unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist auf den 31. Dezember 2009. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin den Arbeitsvertrag ihrerseits am 22. Oktober 2009 fristlos mündlich und schriftlich. Mit Einschreiben vom gleichen Tag begründete sie diesen ausserordentlichen Schritt mit massiven Pflichtverletzungen des Betriebsleiters Creativo. - Am 27. November 2009 reichte der fristlos entlassene Betriebsleiter beim zuständigen Gericht Klage ein mit dem Rechtsbegehren, die beklagte Arbeitgeberin habe ihm den Lohn und den Anteil 13. Monatslohn während der ordentlichen Kündigungsfrist sowie eine Entschädigung wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung in Höhe von insgesamt CHF 24‘615.- zu bezahlen. Überdies verlangte er die Ausstellung des Arbeitszeugnisses. – Mit Urteil vom 11. November 2010 hiess das Gericht diese Klage teilweise gut und verurteilte die Arbeitgeberin zur Zahlung von CHF 15‘610.- sowie zur Ausstellung des Arbeitszeugnisses. – Die dagegen von Corretta AG erhobene Beschwerde wies das kantonale Appellationsgericht ab, weshalb die Arbeitgeberin ans Bundesgericht gelangte, mit dem Begehren, das für sie nachteilige Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.​​​

So sieht’s das Bundesgericht: 

Nach Art. 337 OR kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen jederzeit fristlos auflösen. Als „wichtiger Grund“ gilt jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf. Über das Vorhandensein solcher Umstände entscheidet das angerufene Gericht im Einzelfall nach seinem Ermessen. Derartige Ermessensentscheide überprüft das Bundesgericht grundsätzlich frei, übt dabei aber Zurückhaltung und schreitet nur ein, wenn die Vorinstanz grundlos von den Grundsätzen abgewichen ist, die in der Lehre und Rechtsprechung anerkannt sind, oder, wenn Tatsachen berücksichtigt bzw. nicht berücksichtigt wurden, die für die rechtliche Betrachtung des Einzelfalles keine Rolle spielen dürfen. Auch greift das Bundesgericht ausnahmsweise in Ermessensentscheide der Vorinstanz ein, wenn sich diese als offensichtlich unbillig, d.h. als in stossender Weise ungerecht erweisen.

Nun ist nach der Rechtsprechung zu OR 337 eine fristlose Entlassung nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt, welche das grundlegende Vertrauensverhältnis tiefgreifend erschüttern oder zerstören, sodass der Arbeitgeberin die Fortsetzung des Arbeitsvertrages nicht mehr zuzumuten ist. Andernfalls müssen die Verfehlungen – trotz Verwarnung – wiederholtvorgekommen sein. Die Intensität der arbeitnehmerischen Verfehlungen kann nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden.

Vorliegend hatte die Vorinstanz zwar festgestellt, der Betriebsleiter sei am 11. August 2009 wegen finanzieller Unregelmässigkeiten, mangelhafter Inventur und mangelnder Präsenz schriftlich verwarnt worden. Allerdings beurteilte sie dessen Aussagen zu den Vorwürfen der Arbeitgeberin als glaubwürdig, auch wenn er diverse Einnahmen aus Miete und Events offenbar unkonventionell verbucht hatte.  Die Arbeitgeberin machte dagegen geltend, dass sie – nach erfolgter Verwarnung – zur fristlosen Entlassung berechtigt gewesen sei, auch wenn eine spätere schwere Verfehlung des Betriebsleiters nicht nachgewiesen sei. – Dem hielt aber das Bundesgericht entgegen, die blosse Tatsache, dass der Betriebsleiter auch nach Verwarnung möglicherweise buchhalterisch nicht korrekt verbucht hatte, sei für sich alleine keine so schwere Verfehlung, dass sie – auch im Wiederholungsfall – eine fristlose Entlassung zu rechtfertigen vermöge. Infolgedessen wies das Bundesgericht die Beschwerde der Arbeitgeberin Corretta kosten- und entschädigungsfällig ab (BGE 4A.726/2011).


© by Dr. iur. Peter P. Theiler | CH-8001 Zürich | www.gastrolegal.ch | ​GOURMET-Artikel 2016/0​​3

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