Restaurant

Grenzen des Familienwohnungs-Schutzes

Die dem Mieter obliegende Pflichte, dem Vermieter wichtige Informationen im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis mitzuteilen, sind unverzüglich und nachweislich vorzunehmen, möglichst per Einschreiben, ansonsten sich für den Mieter gravierende Rechtsnachteile ergeben können. Mit den Mieter-Obliegenheiten gar im Hinblick auf einen Prozess zu taktieren, ist riskant, wie der nachfolgend dargestellte Fall zeigt.

​Schutz der Familienwohnung

Im Gastgewerbe spielt die Wirtewohnung des Mieters oder des Geranten nicht zuletzt als Familienwohnung eine Rolle.

Die Familienwohnung geniesst im Mietrecht einen besonderen Kündigungsschutz. So sind die Kündigung durch den Vermieter sowie die Ansetzung einer Zahlungsfrist mit Kündigungsandrohung nichtig, falls sie nicht sowohl dem Mieter als auch seinem Ehegatten, seiner eingetragenen Partnerin oder eingetragenen Partner separat zugestellt werden (Art. 266n OR / Art. 266o OR). Damit aber dieser Schutz greifen kann, muss der Vermieter überhaupt wissen, dass es sich beim Mietobjekt (auch) um eine Familienwohnung handelt. Dies dem Vermieter mitzuteilen ist eine Obliegenheit, d.h. eine vertragliche Nebenpflicht, des Mieters.​​​

Hotel-Restaurant-Liegenschaft mit Wohnungen

Das Bundesgericht hatte in einem für das Mietrecht in verschiedener Hinsicht bedeutenden Fall Gelegenheit, sich über die Grenzen dieses Kündigungsschutzes auszusprechen: Die Mieter *Hans List und *Xaver List (*Namen geändert) übernahmen im Jahre 2001 ein Hotel-Restaurant. Sie schlossen mit den damaligen Liegenschaftseigentümerinnen einen auf 10 Jahre befristeten Mietvertrag ab. Das Mietobjekt umfasste nebst dem Restaurant und 24 Hotelzimmern auch drei 3-Zimmerwohnungen. Im Jahre 2006 bezog Hans List mit seiner Familie zwei der drei Wohnungen. Weil das Mietobjekt Mängel aufwies, führten die Mietvertragsparteien ein Mängelverfahren.

Kündigung nach Versteigerung der Liegenschaft

Noch während dieses Verfahren bei Mietgericht hängig war, fielen die Vermieterinnen in Konkurs. In der konkursamtlichen Versteigerung Mitte Februar 2008 wurde die Liegenschaft erst im zweiten Aufruf, also ohne die Belastung durch die Mietverträge, zugeschlagen. Die Erwerberin kündigte die Mietverträge Ende März 2008 gestützt auf Art. 261 OR vorzeitig auf den nächstmöglichen gesetzlichen Kündigungstermin Ende September 2008. Die Kündigung wurde mit amtlichem Formular eingeschrieben an die Mieter Hans List und Xaver List adressiert. Diese fochten die Kündigung bis vor Bundesgericht an. Sie beantragten u.a. die Feststellung der Nichtigkeit der Kündigung, weil sie der Ehefrau von Hans List nicht angezeigt worden war. Dies wäre aber nach Ansicht der Mieter zwingend gewesen, weise doch das Mietobjekt auch Eigenschaften einer Familienwohnung auf, weshalb es den entsprechenden Rechtsschutz geniesse. Weil aber die Mieter die früheren Eigentümerinnen über den Einzug der Familie von Hans List ins Mietobjekt informiert hatten, sei eine neuerliche Mitteilung an die Ersteigerin der Liegenschaft ihrer Ansicht nach nicht nochmals notwendig gewesen.

Geschäftsraummiete mit Familienwohnungs-Schutz

Das Bundesgericht betrachtete es aufgrund des Mietvertrages sowie der Umstände als erwiesen, dass die vermietete Liegenschaft in erster Linie dem Betrieb eines Hotel-Restaurants diente, also den Regeln der Geschäftsraummiete unterstand. Sodann anerkannte es grundsätzlich, dass Geschäftsräume, die gleichzeitig als Unterkunft von Ehegatten dienen, in den Genuss der Schutzbestimmungen für Familienwohnungen kommen, falls zumindest einer der Ehegatten Partei des Mietvertrages ist, was vorliegend zutraf. Unbestritten war sodann, dass die Ersteigerin die Kündigung nicht auch der Ehefrau von Hans List zugestellt hatte. Und dennoch führte dieser Sachverhalt im vorliegenden Fall nicht zur Nichtigkeit im Sinne von rechtlicher Inexistenz der Kündigung.

Verstoss gegen Treu und Glauben

Rechtlich gesehen sei zwar die Ersteigerin im Zuge der Zwangsversteigerung vorerst in das Mietverhältnis eingetreten. Weil jedoch die Liegenschaft im Doppelaufruf ohne die Mietverträge zugeschlagen worden sei, sei die Ersteigerin berechtigt gewesen, den strittigen Mietvertrag auf den nächsten gesetzlichen Termin zu kündigen. Vorliegend komme aber als Besonderheit dazu, dass die Mieter unbestrittenermassen der Ersteigerin selber nie mitgeteilt hatten, dass die Familie von Hans List im Mietobjekt wohnte. Das hätte sie jedoch spätestens im Anschluss an die Versteigerung von Mitte Februar 2008 im Sinne einer vertraglichen Obliegenheit tun müssen, zumal dies im Rahmen der damals geführten Mängel-Korrespondenz ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen wäre.Im konkreten Fall fand also die Taktik der Mieter keinen Rechtschutz, gegenüber der Ersteigerin die Notifikation der Familienwohnung zu unterlassen, nur um sich im späteren Prozess auf „Nichtigkeit der Kündigung wegen fehlender Zustellung an die Ehefrau eines Mieters“ zu berufen. Die Rüge der Mieter List wurde auch vom Bundesgericht wegen Rechtsmissbrauchs abgewiesen (BGE 137 III 208 E 2).


© by Dr. iur. Peter P. Theiler | CH-8001 Zürich | www.gastrolegal.ch | ​9.11.2014

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