Star-Koch als Gastro-Pleitier vor Strafgericht

Schlagzeilen wie: «Ex-Starkoch wegen Millionen-Schuldenberg vor Bezirksgericht Winterthur» oder «Gefeierter Jungkoch steht als Gastro-Pleitier vor Gericht» sorgten kürzlich weit über die Gastro-Szene hinaus für Aufsehen. Mit teils hämischen Kommentaren wurde in der Boulevardpresse einmal mehr die landläufige Mär genüsslich aufgewärmt, im Gastgewerbe würden sich besonders viele Glücksritter tummeln.
- Doch – ohne etwas beschönigen zu wollen, schon gar nicht aus der Sicht der Betroffenen – was ist ein Schuldenberg von 1,3 Mio Franken gegenüber den – angeblich - zweistelligen Millionen-Deliktsbeträgen der Ex-Bankmanager, die aktuell vor Bezirksgericht Zürich verhandelt werden. Der Volkszorn hängt wohl damit zusammen, dass sich der «Gast wie Du und ich» zwar gut vorstellen kann, was in der Beiz das «Menü 3», die Flasche Wein oder das «Kafi Cräm» kosten, kaum aber eine reale Vorstellung von den Geldbeträgen hat, mit denen Bankmanager zuweilen fragwürdig jonglieren.

Worum geht’s?

Die Anklage warf dem heute 35-jährigen Gastronom vor, er habe sein «Gastro-Imperium an die Wand gefahren». Dabei habe er sich mehrfach der «ungetreuen Geschäftsbesorgung» (Art. 158 StGB), der «Urkundenfälschung» (Art. 251 StGB), der «Misswirtschaft» (Art. 165 StGB) sowie der «Unterlassung der Buchführung» (Art. 166 StGB) schuldig gemacht. Der geständige Beschuldigte räumte ein, er sei damals jung gewesen. Er habe sich zu früh übernommen und sei wegen seines Erfolges und des damit zusammenhängenden Star-Rummels in eine andere Sphäre abgedriftet.

Dass es so weit kommen würde, war zu Beginn der verheissungsvollen Karriere des «Jungkochs des Jahres 2007» und preisgekrönten Sternekochs nicht absehbar. Erinnerlich war zu Beginn der Erfolg nämlich da: 2011 wurde Adam Chefkoch des geschichtsträchtigen Restaurants «Schloss Wülflingen» in Winterthur. Beflügelt vom Hype um seine Person, machte er sich schon ein Jahr später selbständig. Er beeindruckte mit dynamischem Jungunternehmertum, indem er in rascher Folge ein Restaurant nach dem anderen übernahm: das «Theaterrestaurant» in Winterthur, den «Bären» in Langnau im Emmental, den «Löwen» in Veltheim, den «Strauss» in Winterthur, das «Schifferhaus» im Kanton Baselland, in Schaffhausen das Traditionslokal «Beckenburg» sowie zwei Jahre später den «Güterhof» an der Schifflände. Überdies bewies er Flair für die Medien, indem er sich schon bald in der eigenen Kochsendung «Gib Adam Saures» beim Schaffhauser Lokalfernsehen jeweils mit bekannten Persönlichkeiten gastronomisch duellierte. Als besonderer Coup galt sein «Smartfood Delivery»: ein Lieferdienst mit Essen zugeschnitten auf den persönlichen Fitnessplan der Besteller:in. Lieferanten waren bereit, sich bei ihm mit bis zu sechsstelligen Beträgen «einzukaufen», um langjährige Lieferverträge abschliessen zu dürfen. – Doch – wie leider nicht so selten bei «erfolgreichen Neu-Unternehmer:innen» – «verwechselte er den Umsatz mit dem Gewinn»: Der umschwärmte Shooting-Star begann, in die Kassen seiner Betriebe zu greifen und die Einnahmen mit vollen Händen auszugeben. Laut Anklage flossen fast 170'000 Franken aus den Restaurants an eine Freundin. Weitere Summen versickerten für Luxus wie teure Outfits, Reisen und für Erotik-Events (ein Banker-Prozess lässt grüssen …) oder in seine private Kreditkartenabrechnung. Auch soll er Firmen-Inventar verkauft und den Erlös eingesackt zu haben. Ob dieser ruinösen Umtriebe versanken die führungslosen Restaurants im Chaos: Buchhaltungen wurden teilweise gar nicht geführt. Seine Firma «Essen und Kunst» war bereits 2014 überschuldet und überlebte nur dank sogenannten Quersubventionen. Denn um die maroden Betriebe am Leben zu halten, schob Adam ohne Rücksicht auf die Kostenstruktur der belasteten Betriebe Einnahmen «als zinslose Darlehen» zwischen den verschiedenen Restaurants hin- und her, teilweise ohne Belege oder Sicherheiten. In anderen Fällen fingierte er auch Darlehensverträge mit der Begründung, «die Gesellschaften zu retten». – Im Jahr 2017 tauchte der gefeierte Jungunternehmer unversehens ins Ausland ab, seine 150 Mitarbeiter, ein zusammengebrochenes Gastro-Imperium und einen Schuldenberg von CHF 1,3 Mio hinterlassend.

Zurück in der Schweiz mit den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft konfrontiert, zeigte sich Adam geständig. Deshalb konnte er vom sogenannten «abgekürzten Strafverfahren» profitieren, indem Ankläger und Verteidiger sich auf ein Urteil von «20 Monaten Freiheitsstrafe, bedingt vollziehbar» einigten, welches vom Gericht bestätigt wurde. Der Richter empfahl dem einstigen Gastro-Star, er solle in Zukunft besser keine eigenen Restaurants mehr führen. – Adam scheint diesen Rat zu beherzigen, ist er doch – abgesehen vom unvermeidlichen Strafprozess – seit 2018 aus den Schlagzeilen verschwunden. Auch sei er bestrebt, seine Schulden abzuzahlen.

Fazit

Nicht jeder kreative und deshalb medial gefeierte Koch ist – und bleibt – ein erfolgreicher Gastro-Unternehmer. Nebst dieser Binsenwahrheit bleibt das schale Gefühl, dass einmal mehr ein vielversprechendes Gastro-Talent verheizt wurde. – Zwar kann und muss aus Sicht des Gesetzgebers ein «Schuldner mit Kaufmannsqualität» nicht vor sich selbst geschützt werden. Wünschbar wäre aber, dass junge Talente unternehmerisch aufbauend begleitet würden (sofern sie dies denn zulassen). Am Ende steht nämlich nicht bloss der Karriereknick eines Gastro-Stars, sondern zu oft auch ein grosser Schaden für seine ehemaligen Mitarbeitenden, Lieferant:innen und Kreditgebenden – sowie ein weiterer trauriger Kratzer am Image der Gastro-Branche.


© 26.03.2022 by Dr. iur. Peter P. Theiler, Zürich | CH-8001 Zürich |GastroLegal | www.gastrolegal.ch 

GOURMET-Rechtsartikel 2022/4: «Star-Koch als Gastro-Pleitier vor Strafgericht»

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