Gartenstuhl

Ist der Gastwirt wegen Sturz des Gastes vom Gartenstuhl strafbar?

Im April 2017 endete der Besuch eines Gartenrestaurants am Zürichsee für einen Gast unglücklich: Er nahm Platz an einem der Gartentische. Doch als er seinen Klappstuhl zurechtrückte, passierte es: Das Stuhlbein sackte in eine Fuge des Pflastersteinbodens. Der Stuhl kippte und der Gast zog sich beim Aufprall am Boden einen mehrfachen Oberarmbruch zu, weshalb er drei Monate lang arbeitsunfähig war. – Daraufhin erstattete der Verunfallte gegen den Restaurantbetreiber Strafanzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung. Er machte geltend, der Wirt habe im Gartenrestaurant nicht für einen unfallsicheren Untergrund gesorgt, bzw., er habe die Gäste nicht hinreichend vor der Unfallgefahr wegen des unebenen Gartenbodens gewarnt, beispielsweise durch Anbringen eines Warnschildes.

Keine Garantenpflicht des Gastwirts

Die befasste Staatsanwaltschaft wollte den Fall jedoch nicht an die Hand nehmen. Sie war der Auffassung, den Wirt treffe keine strafrechtlich relevante Schuld. So habe niemand direkt auf den Anzeiger eingewirkt, als sich dieser verletzte. Der Wirt habe diesbezüglich gegenüber dem Gast keine besondere, sogenannte „Garantenstellung“ innegehabt. So könne dem Gastgewerbegesetz keine Vorschrift entnommen werden, die den Wirt dazu verpflichte, die Verletzung durch einen Sturz zu verhindern.Auch der Bewirtungsvertrag verpflichte den Wirt – ohne besondere Vereinbarung – nur dazu, eine in gastgewerbegesetzlicher, qualitativer und hygienischer Hinsicht einwandfreie Bewirtungsleistung zu erbringen. Der Staatsanwalt verglich den Fall mit einer am Baum stehen gelassenen Leiter, bei welcher auch niemand für den Sturz eines Dritten, der die Leiter freiwillig besteige, verantwortlich gemacht werden. Allfällige Ansprüche seien vom Geschädigten daher auf dem Zivil- und nicht auf dem strafrechtlichen Weg geltend zu machen.

Demgegenüber war der Anzeiger der Ansicht, der Boden habe unmittelbar neben seinem Klappstuhl «tiefe, auseinanderklaffende Löcher» aufgewiesen, die vom Wirt nicht signalisiert worden seien. Der fragliche Bodenabschnitt habe nicht einem üblichen, einwandfrei gewarteten Pflastersteinboden entsprochen. Überdies sei die Gartenterrasse trotz des unebenen Bodens mit wackligen Klappstühlen möbliert gewesen. Die dünnen Metallbeine dieser Stühle seien geradezu prädestiniert gewesen, sich in den Pflastersteinen zu verzahnen und dadurch schwere Unfälle zu provozieren. Dabei sei es nicht die Pflicht der Restaurantgäste, der Bodenbeschaffenheit besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Vielmehr dürften sie darauf vertrauen, dass ggf. gefährliche Stellen vom Betreiber so gekennzeichnet würden, dass sie vom Gast ohne weiteres erkannt würden. Und bevor sich die Staatsanwaltschaft selber ein Bild vor Ort gemacht habe, dürfe sie ein strafbares Verhalten nicht von vornherein ausschliessen.

Diesen Nichtanhandnahme-Entscheid der Staatsanwaltschaft wollte der verunfallte Gast nicht akzeptieren und beschwerte sich dagegen beim Obergericht.

Appell an die Eigenverantwortung des Gastes

Das Obergericht schützte allerdings den Standpunkt der Staatsanwaltschaft. Es bezog sich auf die Qualität der vom Beschwerdeführer ins Recht gereicht Fotografien der Unfallstelle, welche einen Augenschein vor Ort überflüssig machten. Auf diesen Fotos sei erkennbar, dass der Boden der Gartenterrasse mit gewöhnlichen Pflastersteinen bedeckt sei, deren Fugen unterschiedlich tief seien. Von «tiefen, auseinanderklaffenden Löchern» könne keine Rede sein. Das Obergericht befand zwar den folgenschweren Sturz des Gastes als bedauernswert und unerfreulich, hielt aber fest: «Mit Pflastersteinböden geht zwingend der Umstand einher, dass gelegentlich einzelne Stuhlbeine in die – für den Abfluss von Regenwasser notwendigen – Fugen geraten, sich verhaken oder verklemmen und die Sitzfläche des Stuhls in Schieflage gerät.» Dies entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung und jeder Gast, der ein solches Restaurant besuche, sei sich bzw. müsse sich dessen bewusst sein. Deshalb sei es unnötig, die Gäste eines Gartenrestaurants durch spezielle Hinweisschilder auf diese Gefahr aufmerksam zu machen. Spezielle Hinweise seien nur dort angezeigt, wo eine Gefahr bei gewöhnlicher, den Umständen angemessener Sorgfalt nicht ohne weiteres erkennbar sei. Ohnehin müsse ein Übermass an Hinweisschildern schon deshalb vermieden werden, weil diese ansonsten kaum mehr Beachtung fänden. Während also der Restaurantbenützer den genannten Tücken einer Gartenterrasse ohne weiteres mit angepasstem Verhalten begegnen könne, liessen sich diese vom Restaurantbetreiber nicht mit einem vernünftigen und zumutbaren Aufwand beseitigen.

Kein strafbares Verhalten des Gastwirts

In Konsequenz sei dem Wirt keine strafrechtlich relevante Unterlassung von Vorsichtsmassnahmen vorzuwerfen. Entsprechend liege kein hinreichender Anfangsverdacht vor, welcher die Anhandnahme einer Strafuntersuchung durch die Staatsanwaltschaft rechtfertigen würde. Die Beschwerde des verunfallten Gastes wurde vom Obergericht kostenpflichtig abgewiesen. (OGer ZH, Geschäfts-Nr.: UE170249, Beschluss vom 18.10.2017).


© by Dr. iur. Peter P. Theiler | CH-8001 Zürich | www.gastrolegal.ch | ​GOURMET-Artikel 201​8/06

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