Haben Vereine Anrecht auf Gratis-Nutzung des Restaurant-Stübli?
Die Schweiz, das Land der Vereine: ca. 48% der Schweizerinnen und Schweizer sind Mitglied in mindestens einem Verein, meistens sind Herr und Frau Schweizer aber gleichzeitig in mehreren Vereinen aktiv oder passiv. Entsprechend wichtig ist das Vereinsleben, und da wiederum nimmt das berühmte „Stübli“ oder „Säli“ im Dorfrestaurant einen zentralen Platz ein. Denn viele Vereinsversammlungen finden im Restaurant statt. Die Dorfvereine fühlen sich da schon mal wie zuhause. Doch wenn der Wirt oder das Personal jeweils vor Sitzungsbeginn nachfragt, ob jemand etwas zum Trinken oder ein Häppchen zum Essen wolle, wird meist nur zögerlich bestellt. – Aber spätestens unter „Verschiedenes“ werden die (zu) hohen Konsumationspreise für „gute Gäste“ inbrünstig debattiert. Dauerthema: „Muss ich als eingeladene Sitzungsteilnehmerin überhaupt etwas bestellen?"
Bewirtungsvertrag
Wer ein Restaurant betritt, wozu – der guten Ordnung halber sei’s erwähnt, auch das „Säli“ gehört – begibt sich in einen Gastgewerbebetrieb, und nicht ins vereinseigene Lokal. - Wer sodann sein Getränk oder etwas zum Essen bestellt, schliesst mit dem Wirt einen sogenannten „Bewirtungsvertrag“ ab. Dieser besteht darin, dass der Gast dem Wirt bzw. seinem Personal eine Bestellung aus dem in der Menükarte aufgeführten Sortiment aufgibt. Wenn der Wirt die Offerte des Gastes annimmt, verpflichtet er sich, dem Gast, nebst Tisch und Stuhl in der Restaurantlokalität anzubieten, das bestellte Getränk zu servieren sowie das Essen vertragsgemäss zuzubereiten und zur Konsumation zur Verfügung zu stellen. Die Juristen erblicken in diesem Vorgang ein komplex zusammengesetztes Vertragsgebilde, bestehend aus Gebrauchsüberlassung von Lokalitäten, Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen (Miet-Elemente) und Dienstleistungen (Arbeitsleistungs-Elemente), aus Kauf- (z.B. Fertiggetränke) und Werklieferung (Herstellung des Menus). - Die Vertragspflicht des Gastes besteht hauptsächlich darin, die sogenannte Zeche zu bezahlen und – was hin und wieder unter den Tisch fällt – sich anständig zu benehmen, d.h. im Rahmen von Sitte und Gesetz. – Treten in der Vertragserfüllung Probleme auf, werden Sie den Bewirtungsvertrag nicht im Gesetz nachschlagen können, es ist ein sogenannter „Innominatvertrag“. Rechtsfragen werden je nach Schwerpunkt der sich stellenden Probleme gelöst. Beispielsweise ist verdorbenes Essen analog den Regeln des Werklieferungs- oder Kaufrechts zu behandeln, der zusammengebrochene Stuhl analog jenen des schlecht erfüllten Mietvertrages etc.
Niemand kann gezwungen werden
Grundsätzlich kann in unserer Rechtsordnung niemand gezwungen werden, einen Bewirtungsvertrag abzuschliessen. Das gilt sowohl für den Gast als – in den meisten Kantonen - auch für den Wirt. Die vielzitierte „Bewirtungspflicht“, die sich noch explizit in den Gastgewerbegesetzen der Kantone Aargau, Freiburg, Genf, Jura und Solothurn findet, bezieht sich genau besehen vorwiegend auf gewisse Ausnahmesituationen des Gastes. Ansonsten herrscht auch da Vertragsfreiheit. – Meistens muss der abgewiesene Gast nämlich nicht unbedingt die Dienste eines bestimmten Restaurants in Anspruch nehmen, weil sich ein anderer Gastgewerbebetrieb in zumutbarer Nähe findet, sodass er die Wahl hat. Auch der Wirt muss einen Gast – vorbehältlich der oben erwähnten Bewirtungspflicht - nicht bedienen, wenn er mit ihm keinen Bewirtungsvertrag abschliessen will. Speziell ist er nicht verpflichtet, einzelne Teilleistungen seines Angebots gratis zu erbringen, wenn sich beispielsweise ein Gast zur kalten Jahreszeit bloss in der geheizten Wirtsstube aufwärmen und bitte noch die Toiletten benutzen, aber nichts konsumieren will. Solche Teilleistungen darf sich der Wirt – nota bene gegen Vorauskasse - vergüten lassen, muss er doch seine Miete, Energierechnung und die Löhne auch bezahlen.
Saalmiete, Zapfengeld etc.
Um in Fällen wie dem eingangs genannte nicht immer wieder in dieselben Diskussionen verwickelt zu werden, erheben viele Restaurants und Hotels für ihre Sitzungszimmer oder Säle eine Saal-Miete, worin regelmässig auch die Benützung von technischem Konferenzmaterial inbegriffen ist. - Andere Wirte verrechnen keine Miete, sondern erheben einen Konsumationszuschlag. - Schliesslich kann der Wirt speziell in Fällen, in denen die Gäste ihre Konsumation selber mitbringen, ein sogenanntes Zapfengeld erheben, berechnet auf den servierten Flaschen. Im Wirte- und Vereinsalltag werden aber die eingangs erwähnten Diskussionen ein „ständiges Traktandum“ bleiben. Und so mancher Wirt lässt sich nichts anmerken, wenn sein Stübli zwar den ganzen Abend von 12 Personen für die Vereinssitzung belegt wird, jedoch bloss 2 Stangen, 3 stille Wasser und 1 Verbenen-Tee konsumiert werden. Denn vielleicht kommt ja der eine mit seinem Weihnachts- oder die andere mit dem Konfirmations–Essen ihrer Tochter ... So „bliibt d’Chile im Dorf“.
© by Dr. iur. Peter P. Theiler | CH-8001 Zürich | www.gastrolegal.ch | GOURMET-Artikel 2018/03