Wenn Ferien krank machen…

„Das Buffet hat mich vier Tage flach gelegt ...

Frau Sabine Blaumann hatte sich schon während des ganzen Jahres so auf das sagenhafte „Mykonos“-Buffet gefreut, dass sie beim ersten Ferien-Zmorge im Hotel kräftig zulangte. Sie konnte einfach nichts auslassen, weder die Meeresfrüchte, die sie ausser während ihrer Griechenlandferien nie isst, noch die mit Reis gefüllten Weinblätter, und ihren besonderen Zuspruch fanden die in den wunderbarsten Farben und Düften schwelgenden exotischen Früchte.  Bereits eine Stunde später, das neue aufregende Strand-Outfit war noch nicht definitiv in Form gezupft – meldeten sich die ersten Krämpfe in der Bauchgegend. Und von da an ging alles rasch, oben und unten. Zwischendurch mit Schwindel und kaltem Schweiss ein Telefon an die Reception. Der eilig herbeigerufene Hotelarzt bescheinigte Sabine Blaumann eine schwere Magenirritation. Er deponierte eine Medikamentenpackung auf dem Nachttischli und bestellt sie in zwei Tagen zur Konsultation in seine Praxis. Dann stellte er ihr in kaum leserlicher Ärzteschrift in Griechisch ein Arztzeugnis für vier Tage aus und ging.  Vierzehn Tage später, zurück aus den Ferien und merklich weniger braun als in anderen Jahren, übergab Frau Blaumann das Arztzeugnis dem Personalverantwortlichen Magnus Streng mit der Bemerkung, sie erwarte, dass die Arbeitgeberin ihr die vier Krankheitstage als nicht bezogene Ferientage gutschreiben werde. Streng legte seine Stirn in die bekannt tiefen Falten, wobei unklar blieb, ob dies aus Unwille geschah oder vom griechischen und deshalb für ihn nicht verständlichen Arztzeugnis verursacht war. Vorerst verwies er reflexartig auf Ziffer 48 Abs. 3 des Personalreglements, wonach der Vorgesetzte vom Arbeitnehmenden unverzüglich über die Krankheit zu benachrichtigen sei, selbst wenn er in den Ferien weile. Widrigenfalls würden dem Arbeitnehmenden die Krankheitstage als Ferientage angerechnet und könnten nicht nachbezogen werden. Und sie wisse ja selber, dass sie diese unverzügliche Mitteilung unterlassen habe ...

„ ... wann kann ich diese vier verpassten Ferientage nachbeziehen?

“Die Gerichtspraxis zur Art. 329a OR (Ferienanspruch) räumt ein, dass eine in die Ferien fallende Krankheit wie auch ein Unfall die Feriendauer entsprechend verlängern kann. Massgebend ist, ob der Zustand des Arbeitnehmenden dem Erholungszweck der Ferien (= Ferienzweck) entgegen steht oder nicht, was bei Bettlägerigkeit und bei regelmässigem Arztbesuch anerkannt wird.  Allerdings sind sich Lehre und Praxis nicht ganz einig, ob eine solche gesundheitliche Einschränkung mindestens zwei bis vier Tage andauern müsse oder nicht.  Den Ferienzweck in der Regel nicht vereiteln können: ein kurzes Unwohlsein, blosse Magenverstimmung, Kopfschmerzen, Schnupfen bzw. Erkältung, weniger schwere Zahnschmerzen, Sonnenbrand, Verstauchungen, wobei nicht erforderlich ist, dass solche Einschränkungen der Arbeitsleistung entgegenstehen würden.

Die Beweislast für seine Ferienunfähigkeit trifft den Arbeitnehmenden. Dieser Nachweis wird in der Regel mit dem Arztzeugnis erbracht, kann aber auch anders, beispielsweise mit Zeugen, geführt werden. Deshalb werden im vorliegenden Fall durch die reglementarische Ordnungsvorschrift der „unverzüglichen Krankheitsmeldung an den Vorgesetzten“ die gesetzlichen Ferienansprüche nicht zulasten der Arbeitnehmerin Blaumann abgeändert. Solche Bestimmungen haben daher in der Praxis lediglich organisatorischen und eventuell erzieherischen Wert. Das Arztzeugnis hat als sogenannter „Anscheinsbeweis“ bei vielen Gerichten erhöhte Beweiskraft: sie stellen darauf ab, wenn dessen Richtigkeit nicht bestritten wird bzw. keine ernsthaften Zweifel an dessen Richtigkeit bestehen. Falls die Fremdsprachigkeit des Arztzeugnisses ein Problem darstellen sollte, weil der Arbeitgeber oder ggf. später das Gericht des Griechischen oder Arabischen, Chinesischen etc. nicht mächtig ist, ist es am Beweisbelasteten, zusammen mit dem Arztzeugnis eine verlässliche Übersetzung desselben beizubringen.

Fazit: Im vorliegenden Fall kann Frau Blaumann ihre vier nicht bezogenen Ferientage also nachbeziehen. Allerdings nicht nach Belieben; vielmehr hat sie diesen Ferienbezug mit dem Arbeitgeber neu abzusprechen.


© by Dr. iur. Peter P. Theiler | CH-8001 Zürich | www.gastrolegal.ch |GOURMET-Rechtsartikel 2017/9

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