Zürcher „Baked Potato“-Fall: Gast verletzt. Wirt strafbar?

Nach dem Rechtsprinzip „des erlaubten Risikos“ kann beim Betrieb eines Restaurants nur die Einhaltung eines angemessenen Mindestmasses an Sorgfalt und Rücksichtnahme verlangt werden. Der Gastwirt muss aber die Gefahr auf dasjenige Minimum einschränken, das gar nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand ausgeschlossen werden kann.

High Noon im 300-plätzigen Selbstbedienungsrestaurant der „S’Elfi“*-Kette (*alle Namen geändert). Falsia Bisy* hat nur kurz Mittagspause. Hart aber fair hat sie sich durch die endlose Warteschlange gekämpft. Am Selbstbedienungsbuffet mit leckeren Fast-Food-Spezialitäten aus aller Welt beschränkt sie sich der Bikinifigur und des ökologischen Fussabdrucks zuliebe wieder auf den Gurkensalat, kaum Sauce und dafür viel gluschtig arrangierte Sojasprossen. Zielstrebig eilt sie, das Tablett geübt balancierend, zur Kasse, wo am wenigsten Leute anstehen: der entferntesten. Da passiert’s: in hohem Bogen fliegen Sprossen, Tablett samt Falsia Bisy durch die Luft und schlagen hart auf dem Kachelboden auf, der in allen „S’Elfi“-Filialen auf der ganzen Welt genau gleich aussieht. Ausser, dass auf dieser einen Kachel der Baked Potato zur Schmierspur verkommen ist, auf dem Falsia Bisy soeben ausgerutscht ist. Diagnose: Ellbogen gebrochen und Schreibhand verletzt. Die Sekretärin muss sich mehreren Operationen unterziehen und kann den Büro-Compy für lange Zeit nicht mehr traktieren.

Nebst dem ganzen Versicherungs-Nachspiel fühlt sich Falsia Bisy durch den folgenschweren Ausrutscher auch in ihrer körperlichen Integrität so beeinträchtigt, dass sie Strafanzeige gegen den Geranten und weitere Verantwortliche der „S’Elfi“- Filiale einreicht. Doch zu ihrem grossen und nur wenig geringeren Erstaunen ihres Anwalts will der befasste Staatsanwalt die Strafanzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung nicht einmal „an die Hand nehmen“, wie die Juristen verblümt sagen. Das lässt sich Falsia Bisy natürlich nicht gefallen. Ihre unverzügliche Beschwerde beim Obergericht schliesst mit dem Antrag, „die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft sei aufzuheben und die Sache zur Eröffnung einer Strafuntersuchung wegen fahrlässiger Körperverletzung an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen.“ Selbstredend unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Staatskasse.​​​​​​

Wenn das Obergericht seine Entscheidbegründung mit dem Satz eröffnet: „Da sich die Beschwerde sogleich als unbegründet erweist, kann auf das Einholen von Stellungnahmen verzichtet werden“, kann der Beschwerdeführerin nicht Gutes schwanen. In der Tat hält das Obergericht fest: „In einem Selbstbedienungsrestaurant ist die Gefahr, dass Speisen auf den Boden fallen und ein Sturzrisiko darstellen, offensichtlich und allgemein bekannt. Zudem lässt sich diese Gefahr gerade bei hohem Besucheraufkommen nicht oder zumindest nicht mit einem vernünftigen und zumutbaren Aufwand beseitigen. Beim Besuch eines Selbstbedienungsrestaurants insbesondere zu hochfrequentierten Zeiten muss folglich mit kleineren Verschmutzungen durch auf den Boden gefallene Speisen im Sinne eines erlaubten (Rest-)Risikos gerechnet werden. Beim Sturz der Beschwerdeführerin handelt es sich zwar um ein äusserst bedauerliches und unerfreuliches Ereignis, dieses ist aber strafrechtlich nicht den Beschwerdegegnerinnen zuzurechnen“. Das Obergericht hat die Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung des Staatsanwalts kostenpflichtig abgewiesen.

Fazit:  Der „S’Elfi“-Wirt und sein Personal können aufatmen. Sie haben sich in diesem Fall nicht strafbar gemacht. Dieser Persilschein gilt aber nicht schlechthin. Zwar kann nach dem Rechtsprinzip „des erlaubten Risikos“ vom Gastwirt nur die Einhaltung eines angemessenen Mindestmasses an Sorgfalt und Rücksichtnahme beim Betrieb eines Restaurants verlangt werden. Wird aber dieses Mindestmass an Sorgfalt – auch durch Unterlassen von Massnahmen – nicht eingehalten, macht sich der Gastwirt – nebst der zivilrechtlichen Haftung – auch strafbar.


© by Dr. iur. Peter P. Theiler | CH-8001 Zürich | www.gastrolegal.ch |GOURMET 2015/05

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