Fischplatte

Böses Erwachen nach „Bilder-Klau“ im Internet

​Immer mehr Internetnutzer, zunehmend auch Gastgewerbetreibende, laden bedenkenlos Beiträge und speziell auch Bilder bzw. Fotografien von irgendwelchen Websites auf die eigene Homepage. Durch diesen leichtfertigen Umgang mit fremden Urheberrechten geraten die Schnäppchenjäger ins Visier skrupelloser Internet-Haie, die sich darauf spezialisiert haben, mittels gut begründeter Drohkulisse die unvorsichtigen Surfer und Blogger abzuzocken -leider meistens mit Erfolg. Denn die Waage der Justitia scheint sich -zumindest prima vista -zu ihren Gunsten zu neigen. Kommt dazu, dass die Rechtslage auch im internationalen Umfeld des "worldwideweb" unklar ist. Aber in der Regel lohnt es sich, nicht ohne weiteres zu zahlen, sondern kompetent geführten Widerstand zu leisten.

Der Fall 

Der Sternenwirt gestaltet Wochen-Menu-Karte neu. Als moderner Zeitgenosse fackelt er nicht lange: Er surft zu einem der zahlreichen Internetkochbücher und lädt die anmächeligen Speisen-Bildchen stracks in sein "Menukarten-Doc" herunter: Einen knackigen Frühlings-Salat, die leckere Fischplatte, das stattliche Roastbeef, zuletzt einige gluschtige Desserts. Fertig ist die neue Karte. Der Sternenwirt freut sich über die einfache und erst noch überaus günstig Gestaltung der neuen Menu-Karte, braucht er jetzt doch keinen teuren Grafiker mehr. Doch siehe da: wenige Tage später flattert böse Anwaltspost aus Hamburg in den Landgasthof Sternen. Namens seines Klienten fordert dieser ultimativ: Erstens seien die Speisen-Bilder unverzüglich vom Server des Sternenwirts und deren Indizierung in den Suchmaschinen weltweit zu entfernen. Zweiten sei die beiliegende "strafbewehrte" Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Diese auferlegt dem Sternenwirt, dem Urheber der Internetbilder den durch die unberechtigte Veröffentlichung der Fotos entstandenen Schaden aus entgangenen Lizenzen und den "Immaterialschaden" wegen Fehlens der Urheberbezeichnung zu ersetzen, überdies eine pauschale Anwaltsentschädigung, alles zum totalen Forderungsbetrag von ca. € 10'000.-oder ca. CHF 15'000.-. Falls die unterzeichnete Vereinbarung nicht innert 10 Tagen unterzeichnet retourniert werde, sei die Klage am Wohnsitz seines Mandanten in Hamburg fällig. Der Sternenwirt ist bestürzt über diese "Abzocke". Aber leider kann der konsultierte Anwalt dem Sternenwirt nicht bloss Mut machen, denn die Rechtslage ist unklar. In der Schweiz sind vergleichbare Fälle noch kaum gerichtlich beurteilt worden.

Urheberrecht verletzt? 

Grundsätzlich ist der Urheber ist berechtigt, allein darüber zu entscheiden, wer sein Werk nutzen darf, weshalb hierfür seine Einwilligung erforderlich ist. Immerhin ist das Herunterladen von Bildern aus dem Internet zum rein privaten Gebrauch ohne besondere Bewilligung rechtlich zulässig. Vorliegend haben wir es aber mit einer gewerbsmässigen Verwendung der Bilder auf der Homepage-Menukarte des Sternenwirts zu tun. Für die gewerbliche Benutzungserlaubnis ist üblicherweise eine Lizenzgebühr zu entrichten. Die unerlaubte gewerbsmässig Verwendung von Internetbildern ist daher geeignet, Ansprüche des Verletzten auf Schadenersatz, Genugtuung, Gewinneinziehung und gegebenenfalls auf strafrechtliche Sanktionen zu generieren.

Ist eine Fotografie schutzwürdig? 

Uneinigkeit herrscht aber, welche fotografischen Bilder urheberrechtlich geschützt sind. Das Schweizer Bundesgericht hat in den aktuellen Leitentscheiden "Bob Marley-Bild" und "Wachmann Meili-Bild" Kriterien aufgestellt, die von der Praxis zum Teil scharf kritisiert werden: Gemäss "Bob Marley"-Fall muss eine schutzwürdige Fotografie bezüglich Gestaltung einen "individuellen Charakter" aufweisen, und sie muss auf einem "menschlichen Gestaltungswillen" beruhen. Dagegen versagte das höchste Gericht dem berühmten "Wachmann Meili"-Bild den Urheberrechtsschutz, weil Meili so fotografiert worden sei, wie das jedermann getan hätte und die verwendeten fototechnischen Mittel so banal gewesen seien wie die automatischen Einstellungen einer einfachen Kamera. Immerhin handle es sich um eine "geistige Schöpfung", da Meili gewollt und nicht zufällig in der dargestellten Pose fotografiert worden sei. Nach dieser Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Individualität der Fotografie weder Inhalt noch Planung oder Herstellungsaufwand zu berücksichtigen, was beispielsweise im Falle der dokumentarischen Fotografie problematisch ist. Hingegen könnte diese umstrittene Rechtsprechung im Fall des Sternenwirts vorteilhaft sein. Denn die von unserem Sternenwirt heruntergeladenen "0815-Föteli" eines Salattellers, einer Fischplatte, eines Bratens und​ einiger Desserts dürften die juristische Hürde der hinreichenden Individualität kaum schaffen, wären m.a.W. urheberrechtlich nicht schutzwürdig. Dies etwa im Gegensatz zu Deutschland, welches einen - allerdings weniger weit gehenden - Schutz des "einfachen Lichtbildes" kennt, um genau dieses Qualifikationsproblem zu umgehen.

Wer ist bei Internetdelikten international zuständig? 

Vorliegend steht dem Sternenwirt aber eine Klage in Hamburg ins Haus, wenn er nicht einfach zahlt. Der Fall ist kompliziert, weil nach dem anwendbaren Lugano-Übereinkommen, das die internationale Zuständigkeit zwischen den Vertragsstaaten regelt, sowohl schweizerische wie deutsche Gerichte zur Behandlung des Falles zuständig sein können. Das Spezielle bei Internetdelikten ist, dass sie nicht einfach an ein Landes-Territorium angeknüpft werden können, weil das "world wide web" nicht territorial ist. Aus diesem Grunde wird an den Ort angeknüpft, wo der Erfolg der Urheberrechtsverletzung im Internet eingetreten ist. Vorliegend wäre das der Wohnsitz des Geschädigten in Deutschland. Anderseits existiert inzwischen ein Urteil des Oberlandgerichts Bremen, welches den Erfolgsort bei Missbrauch von Internet-Bildern am Ort der Veröffentlichung ansiedelt, was den Gerichtstand am den Wohnsitz des Sternenwirts in der Schweiz bewirken würde. Praktisch wird sich das Hamburger Gericht wohl zuständig erklären.

Welches Landesrecht ist anwendbar? 

Ist einmal der Gerichtsstand festgelegt, so fragt sich, welches Landesrecht auf den Fall anzuwenden ist. Bei Urheberrechtsstreitigkeiten gilt, dass das Recht desjenigen Staates anwendbar ist, für welchen der Schutz des Urheberrechts beansprucht wird. Will also der deutsche Urheber seine Rechte in der Schweiz schützen, wäre das Schweizer Urheberrecht anwendbar, was mit Blick auf die aktuelle schweizerische Rechtsprechung von Vorteil für unseren Sternenwirt wäre. Allerdings ist zweifelhaft, dass ein Hamburger Gericht das Schweizer Recht anwendet, ohne dass sich der Sternenwirt in den Hamburger-Prozess einlässt.

Internationaler Zahlungsbefehl 

Damit besteht für den Sternenwirt die Gefahr, dass der Kläger in Hamburg mangels Gegenwehr ein für ihn günstiges Urteil nach deutschem Recht erwirkt. Anschliessend kann er dieses Urteil auf dem internationalen Rechtsweg vollstrecken lassen. Dabei kann der Kläger mit der Anerkennung der ausländischen Entscheidung in der Schweiz rechnen, wenn dem beklagten Sternenwirt zuvor die Hamburger-Klage auf dem internationalen Rechtshilfeweg korrekt zugestellt worden ist. Insbesondere kann der Sternenwirt im Rahmen des schweizerischen Rechtsöffnungsverfahrens kaum mehr einwenden, die materiell-rechtliche Entscheidung des deutschen Gerichts sei falsch. Auch mag die Geltendmachung der Verletzung des schweizerischen Ordre public selten verfangen, da eine solche nur bei ausgesprochen krassen Verletzungen der schweizerischen Rechtsauffassung angenommen wird.

Fiese Internet-Falle 

Der - leider weit verbreitete - Bilderklau im Internet ist besonders risikoreich ist, weil sich offenbar immer mehr Firmenund ihre Anwälte darauf spezialisieren, sorglose Internetnutzer auf absichtlich gut indizierte Websites zu locken und geradezu einladen, banale Bildchen zu kopieren. Nicht das verlockend bebilderte Internet-Kochbuch ist das Business, sondern das Geschäft mit dem Inkasso-Druck auf die Bildchen-Schnapper. Denn diese, belastet vom einem vagen Unrechtsbewusstsein und von der Rechtslage überfordert, scheuen in der Regel den Gang vor den Richter und zahlen zähneknirschend: ein schäbiges, aber fettes Geschäft! Aus diesem Grunde der Rat an den Sternenwirt: Nicht einfach bezahlen, sondern sich zuerst rechtlich beraten lassen. Denn erfahrungsgemäss lässt der "Internet-Hai" von seiner Beute, sobald deren Gegenwehr ihm den leichten Fang vermiest.


© by Dr. iur. Peter P. Theiler | CH-8001 Zürich| www.gastrolegal.ch| März 2008 


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