Aussenwirtschaft

Aussenwirtschaft nur noch mit Baubewilligung

​Ist es eine Auswirkung des Klimawandels, dass sich auch in der kühlen Schweiz zur Sommerszeit ein mediterranes Lebensgefühl etabliert? Jedenfalls liegt Boulevardgastronomie immer stärker im Trend. Doch des einen Freud ist des andern Leid. Vor allem Nachbarn fühlen sich in lauen Sommernächten von Immissionen mediterranen Lebensgefühls gestört. Deshalb haben die Gerichte diesem in unseren Breitengraden noch neuen Lebensgefühl ein enges Korsett verpasst: Seit 2008 müssen Boulevard-Cafés praktisch in der ganzen Schweiz ein aufwändiges baurechtliches Bewilligungsverfahren durchlaufen.​

Die „Boulevard-Bewilligung“, andernorts auch „Allmend-Bewilligung“ oder „Aussenwirtschafts-Bewilligung“ genannt, ist die gewerbepolizeiliche Erlaubnis, öffentlichen Grund zum Betrieb einer Aussenwirtschaft gegen Entrichtung einer Gebühr gewerblich zu benützen (sog. „gesteigerter Gemeingebrauch“). Bis 2008 wurde diese Bewilligung fast überall in einem kommunalen Verwaltungspolizei-Verfahren erteilt, welches auf einer kantonalen Gesetzgebung über die „Nutzung öffentlichen Grundes zu Sonderzwecken“ beruhte. Diese Bestimmungen dienen dem verständlichen Anliegen der öffentlichen Hand, die Nutzung des öffentlichen Raumes zwar zu erlauben, aber nur unter angemessener Berücksichtigung der berechtigten Bedürfnisse der übrigen Benützer. Zu denken ist an die Sicherheit und Mobilität der Passanten, aber auch an die Erfüllung öffentlicher Aufgaben, wie Einsatzmöglichkeiten von Polizei, Feuerwehr und Sanität. Nebst diesen Grundanliegen regeln die behördlichen Bestimmungen über die Boulevardgastronomie aber auch zunehmend und teilweise etwas übereifrig das ästhetische Erscheinungsbild von Aussenwirtschaften mittels Mass-, Material- und Einrichtungsvorschriften sowie mit Werbeeinschränkungen.

Das eingangs erwähnte, einfache und günstige Verwaltungspolizei-Verfahren ist aber seit August 2008 „Schnee von gestern“. Damals hat das Bundesgericht ein praxisänderndes Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts bestätigt. Wie kam es dazu?

Im Herbst 2006 wies die Stadt Winterthur im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens für ein Restaurant in der Winterthurer Altstadt den Gesuchsteller darauf hin, dass die ebenfalls geplante Wein- und Tapas-Bar mit Vinothek im Erdgeschoss einer separaten Boulevard-Bewilligung bedürfe. U.a. dagegen erhoben Nachbarn vorsorglich Rekurs. Das schliesslich angerufene Verwaltungsgericht hielt in seinem Entscheid vom November 2007 zunächst fest, dass die Rechtsfrage betreffend Aussenwirtschaften im ganzen Kanton Zürich einheitlich zu handhaben sei. Unbestreitbar sei der geplante Betrieb einer Aussenwirtschaft, auch wenn er nur 25 Plätze aufweise, mit nicht unerheblichen Lärmimmissionen verbunden, weshalb er baurechtlich geschützte Rechtsgüter Dritter berühre. Den Einwänden der Stadt Winterthur, die verwaltungspolizeiliche Bewilligung prüfe ja die gestalterischen, umwelt- und lärmschutzrechtlichen Aspekte ebenfalls, mochte das Verwaltungsgericht nicht folgen, u.a. mit dem Hinweis, dem Verwaltungspolizeiverfahren fehlten die Instrumente zur Anspruchswahrung Drittbetroffener. Sofern aber mehrere Verfahren erforderlich seien, komme dem baurechtlichen Bewilligungsverfahren insofern primäre Bedeutung zu, als die Baubewilligung den Rahmen für die Boulevard-Bewilligung abstecke. Der Stadt Winterthur bleibe es aber unbenommen, die baurechtlich bewilligte Nutzung des gesteigerten Gemeingebrauchs noch weiter polizeilich einzuschränken, beispielsweise durch gestalterische, saisonale oder anderweitige betriebliche Auflagen. Auch müsse die baurechtliche Bewilligung nicht jährlich bzw. saisonal erneuert werden, sondern könne beispielsweise als sogenannte „Stamm-Bewilligung“ bis zu einer Änderung des bewilligten Projektes bestehen bleiben.

Die Stadt Winterthur zog diesen Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts ans Bundesgericht weiter, blitzte dort jedoch ab. Das höchste Gericht stützte in seinem Entscheid die Argumentation des Zürcher Verwaltungsgerichts vollumfänglich (BGE 1C_47/2008 v. 08.08.2008).

Dieser Bundesgerichtsentscheid hat bewirkt, dass seit 2008 in allen Kantonen, insbesondere in den grösseren Städten wie Zürich, Basel, Bern, Luzern, Chur und St. Gallen das Verfahren zur Erlangung der Aussenwirtschaftsbewilligung im Rahmen oder parallel zum baurechtlichen Bewilligungsverfahren durchgeführt wird.​

Fazit: Wer ein Boulevardcafé eröffnen will, sollte a) sich mit den Nachbarn gut stellen, b) sichfrühzeitig bei der örtlichen Gewerbepolizei über das anwendbare Bewilligungsverfahrenerkundigen und c) noch „früecher afah schpara“.


© by Dr. iur. Peter P. Theiler | CH-8001 Zürich | www.gastrolegal.ch | Februar 2014

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