Kündigung wegen „gehobener Nachbarschaft“?

Statt der Braui ..

Die Mieterin, eine Brauerei, führte seit 1998 ein „Arbeiter-Restaurant“ in einem Industriequartier. Naturgemäss präsentierte sich die Speise- und Getränke-Karte bodenständig, grossportioniert und günstig. Über Mittag war das Restaurant denn auch voll besetzt mit den Arbeitern und Angestellten der Umgebung. In derselben Liegenschaft waren ausserdem verschiedene Handwerks- und Handelsbetriebe eingemietet, in der Art, welche dem gesamten Quartier seit langem das Gepräge verliehen. Im Zuge der neuerdings in urbanen Verhältnissen zu beobachtenden Entwicklung, wonach früher peripher gelegene Industriequartiere zu aufstrebenden Büro-, Wohn- und Kultur-Meilen mutieren, zogen eingesessene Industrien vermehrt in die Agglomeration. Ihnen rückten unter anderem auch bekannte Nobelmarken aus dem Luxusgüter-, IT-, Mode und Unterhaltungsbereich nach.

... darf ein trendiges Gastro-Konzept her ...

Aufgrund dieses Trends kündigte der Vermieter das Mietverhältnis mit der Brauerei ordentlich auf den nächsten Kündigungstermin. Zur Begründung der Kündigung gab der Vermieter an, die Brauerei bewirtschafte das Lokal zu wenig dynamisch. Sie bediene immer noch das einfache und günstige Gästesegment. Dies, obwohl sich das Quartier ja offensichtlich im Aufschwung befinde und renommierte Firmen in die Nachbarschaft gezogen seien. Die Kündigung erfolge, um einen diesem Publikumstrend besser entsprechenden Gastronomiebetrieb anzusiedeln.

... sofern eine wesentliche Veränderung der Umgebung dies rechtfertigt

Während die kantonalen Instanzen den Standpunkt des Vermieters als vertretbar schützten, kam das Bundesgericht – in diesem Fall – zu einem anderen Urteil. Warum?

Grundsätzlich verwehrt es der gesetzliche Kündigungsschutz bei der Miete von Geschäftsräumen (Art. 271 OR) dem Vermieter nicht, den Mietvertrag zu kündigen, weil er seine Liegenschaft besser bewirtschaften will. Insbesondere ist es ihm erlaubt, das Mietverhältnis aufzulösen, weil er sich von einem Mieterwechsel einen höheren Mietzins verspricht, solange diese Miete mit den gesetzlichen Missbrauchsvorschriften vereinbar bleibt.

Im konkreten Fall beruft sich jedoch der Vermieter darauf, er wolle das „Image“ seiner Immobilie an die „tiefgreifenden Entwicklungen“ des Quartiers anpassen und daher das überholte Brauereikonzept durch eine zeitgemässe Gastronomie ersetzen, welche den „gehobenen Standard“ bediene, also das Personal und vor allem das Kader der renommierten Firmen in der Umgebung anspreche.

Das Bundesgericht hatte bereits im Jahre 2010 einen ähnlichen Fall zu beurteilen. Damals ging es um ein Restaurant, das seit annähernd 100 Jahren im Zentrum von Genf betrieben worden war. In diesem langen Zeitraum hatte sich das Quartier entwickelt und war unbestreitbar exklusiver geworden. Damit sei auch die Toleranzgrenze gegenüber den mit dem Betrieb eines Restaurants verbundenen Unannehmlichkeiten und Immissionen gesunken, und zwar auch gegenüber Beeinträchtigungen, die sich in einem moderaten Rahmen halten. Daher sei es legitim gewesen, dass der Vermieter den Verwendungszweck für diese Lokalitäten habe ändern und dafür den Mietvertrag habe kündigen wollen.

Auch im vorliegenden Fall sei bekannt, dass sich seit kurzem einige Firmen mit klingenden Namen im Industriequartier niedergelassen haben, welche Luxusgüter entwickeln und produzieren. Hingegen sei es weder allgemein bekannt noch nachgewiesen, dass sich bereits deswegen dieses Industriequartier so stark verändert habe, dass es den Quartier-Charakter zur Zeit des Mietvertragsabschlusses im Jahre 1998 verloren habe. Überdies wolle der Vermieter weiterhin einen Gastronomiebetrieb führen und lediglich den aktuellen durch einen neuen Betreiber ersetzen. Dabei sei weder behauptet noch glaubhaft, dass der Vermieter vom neuen Mieter einen spürbar höheren Mietzins verlangen könne, bzw., dass mit dem angestrebten Wirtewechsel das Potential der übrigen Mietlokalitäten in der Liegenschaft aufgewertet werde. Unter diesen Umständen entspreche das vom Vermieter angestrebte „veränderte Image“ der Liegenschaft nicht einem hinreichend konkreten und ernsthaften Interesse an der Kündigung, weshalb sich die Kündigung im vorliegenden Einzelfall als missbräuchlich erweise(BGE 4A-529/2014).

Zusammenfassend kann gelten, dass der Vermieter ein Mietverhältnis sehr wohl ordentlich auflösen kann mit der Begründung, die Umgebung des Mietobjekts und die entsprechenden Ertragsmöglichkeiten hätten sich derart verändert, dass der Betrieb den veränderten Verhältnissen nicht mehr entspreche. Der Vermieter muss diese Begründung im Bestreitungsfall jedoch aufgrund von Fakten und Zahlen nachweisen können.

Auf einem ganz anderen Blatt steht geschrieben, ob nicht auch ein traditionelles Brauerei-Konzept, modern interpretiert, „gehobenen Standards“ genügen kann. Dies zu beurteilen ist aber nicht Sache der Juristen, sondern der Gastronomen und ihrer Gäste.


© by Dr. iur. Peter P. Theiler | CH-8001 Zürich | www.gastrolegal.ch |

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