Gartenbeiz

Drohende Immissionen aus der Garten-Beiz

Das mediterrane Lebensgefühl ist landauf, landab im Trend. Das Leben verlagert sich zur warmen Jahreszeit in den öffentlichen Raum: aber des einen Freud ist des anderen Leid. In einem neuen Entscheid betont nun die Zürcher Justiz, dass von jemandem, welcher in der Nähe von bekannten „Hotspots“ wie der Langstrasse oder dem Niederdorf Wohnsitz nimmt, abends und nachts eine höhere Lärmtoleranz erwartet werden darf als in einem Schlafquartier, was auch bei der Bewilligung von Aussengastwirtschaften zu berücksichtigen sei. Den Gastwirt freut’s.

Selten genug kommt’s vor, dass die Stadt Zürich einem Wirt die Bewilligung für ein Restaurant mit Garten zum Hofbereich und strassenseitigem Boulevard in einem Zürcher Wohnquartier nahe dem „Chreis Cheib“ erteilt. Aber wie nicht selten, reichten Anwohner dagegen einen Strauss von ablehnenden Begehren ein, u.a.: das Gartenrestaurant zum Hof sei zu verweigern, eventuell der Betrieb höchstens bis abends 19:00 Uhr und nur von Juni bis August zu erlauben; es dürfe aus dem Restaurant weder Musik zu hören sein noch dürfe im Hof geraucht werden; auch seien bauliche Lärmschutzmassnahmen vorzuschreiben und es sei ein Lärmschutzgutachten mit Augen- und Hör-Schein an einem warmen Sommerwochenend-Abend durchzuführen. Alles auf Kosten des Betreibers.

Tatsache ist, dass das Gartenrestaurant einen grossen Teil des Innenhofs einnimmt, auf welchen die Innenhofbalkone der rekurrierenden Stockwerkeigentümer führen. Das Grundstück befindet sich in einer sogenannten Quartiererhaltungszone mit Mindestwohnanteil 80% und Lärmempfindlichkeitsstufe III (Mischzone Wohnen mit mässig störendem Gewerbe).  Erlaubt wurde dem Gartenrestaurant der tägliche Betrieb bis 22:00 Uhr; verboten sind ab 19:00 Uhr lärmige Aufräum- und Reinigungsarbeiten.

Die Rekurrenten brachten vor, der typische Lärm des Vergnügungsviertels Langstrasse dringe nicht bis hierher. Das von der Stadt eingeholte Lärmgutachten sei so mangelhaft, bzw., die heute allseits anerkannten „Cercle bruit“-Richtlinien (*= Vollzugshilfe der Vereinigung kantonaler Lärmschutzfachleute, www.cerclebruit.ch) seien so massiv überschritten, dass dies auch in urbaner Umgebung nicht hinnehmbar sei. Durch das geplante Gartenrestaurant werde die im ruhigen Innenhof herrschende Wohnidylle zerstört, und die Anwohner, deren Schlafräume gegen den Innenhof lägen, ihrer letzten Ruherückzugsmöglichkeit beraubt.

Dagegen wandte der betroffene Wirt ein, der Innenhof sei aufgrund seiner quartiertypisch lebhaften Atmosphäre, die von den hier lebenden Anwohnern eben gerade gesucht und geschätzt werde, aber auch zufolge der Hinterhofnutzung anderer Gastgewerbebetriebe und eines Metallbauers, keineswegs so idyllisch verschlafen, wie die Rekurrenten glauben machen wollten.

Die bewilligungserteilende Stadt Zürich räumte zwar ein, dass die Richtwerte des „Cercle Bruit“ überschritten seien, stellte sich aber auf den Standpunkt, dass der zu erwartende Lärm einer Aussenwirtschaft in urbaner Lage nicht ausschliesslich nach den ausgesprochen strengen Regeln des „Cercle bruit“ beurteilt werden dürfe bzw. müsse, weil sonst in Zürich kaum noch Gartenwirtschaften bewilligungsfähig seien, und zwar nicht einmal mehr tagsüber. Zudem liege das in Frage stehende Wohngeviert in geringer Entfernung zur Langstrasse und inmitten eines der bekannten und beliebten Ausgehviertels, wo infolge der zahlreichen Vergnügungsstätten bis spätnachts reger Publikumsverkehr mit entsprechenden Lärmimmissionen herrsche. Wer zum Wohnen hierher ziehe, wisse das und könne nicht dieselben Ansprüche an die Quartierruhe wie in einem ruhigen Aussenquartier stellen. Wohnen in dieser Umgebung setze auch abends und nachts eine gewisse Lärmtoleranz voraus. Und nicht zuletzt weise auch die rege Balkonnutzung der Anwohner desselben Innenhofs eine Verwandtschaft mit den Lärmemissionen des genannten Restaurant-Gartens auf.​ Daher sei es den Nachbarn zumutbar, dass die Nachtruhe erst ab 22:00 Uhr – dann aber sicher – Vorrang geniesse.

In seinem Entscheid bekräftigte das Zürcher Baurekursgericht, dass auch ein Restaurant den Umweltschutzvorschriften des Bundes unterliege, weshalb die einschlägigen Grenzwerte einzuhalten seien. Fehlten aber solche, sei im Einzelfall zu ermitteln, ob eine unzumutbare Störung vorliege. Zu diesem Zweck habe auch das Bundesgericht in einem neueren Leitentscheid die Heranziehung der privaten „Cercle bruit“-Richtlinien als zulässig erachtet. Und mit Blick auf die Beanstandung, im kritisierten Lärmgutachten seien sogar Normen des „österreichische Praxisleitfadens Gastgewerbe“ zur Anwendung gelangt, betonte es die Zulässigkeit dieses Vorgehens, solange die Kriterien der ausländischen Richtlinie mit denen der schweizerischen Lärmschutzrichtlinien vereinbar seien. Deshalb seien vorliegend von der Stadt richtigerweise nicht die (höheren) Werte für Biergärten herangezogen worden, sondern jene für normalen Gästeunterhaltungslärm mit Serviergeräuschen. Und zu Recht seien – mit Vergleich zu örtlich und sachlich ähnlich gelagerten Fällen in der Stadt Zürich - die genannten Richtlinien-Kriterien für den vorliegenden Wohnzonen-Innenhof relativiert worden. Als einschlägig erachtete das Baurekursgericht den Einwand der Stadt Zürich, dass sogar die zwei strassenseitigen Boulevard-Tische nach den strengen Massgaben des „Cercle bruit“ nicht bewilligungsfähig wären, was dem urbanen Umfeld nicht angemessen sei. – Kritisch merkt das Zürcher Baurekursgericht an, dass der eigentliche Ausgangspunkt dieser unbefriedigenden, von Rechtsunsicherheit geprägten Problematik der Umstand sei, dass trotz des mittlerweile seit über 25 Jahren bestehenden Gesetzgebungsauftrages der Bundesrat bis heute in der Lärmschutzverordnung keine verbindlichen Belastungsgrenzwerte für Aussengastwirtschaften festgelegt habe. Und besonders betont das Gericht, dass von Personen eine höhere Lärmtoleranz erwartet werden dürfe, welche in der Nähe von „Hotspots“ wie dem Zürcher Niederdorf oder der Zürcher Langstrasse Wohnsitz nehmen, wo das Nachtleben bekanntlich auch unter der Woche noch spätabends und nachts im öffentlichen Raum pulsiert. Dies sei auch bei der Beurteilung von Aussengastwirtschaften zu berücksichtigen. Aus all diesen Gründen wurde der Anwohnerrekurs kostenpflichtig abgewiesen.

© by Dr. iur. Peter P. Theiler | CH-8001 Zürich | www.gastrolegal.ch | ​GOURMET-Artikel 201​5/0​7+08

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