Mietrechts-Option (richtig) ausgeübt?

Anlässlich einer kürzlichen Verhandlung vor Mietgericht legte sich der Präsident mächtig ins Zeug, um die Streitparteien mit drastischen Schilderungen der prozessualen und finanziellen Konsequenzen von der Fortsetzung des – bereits langwierigen und umfangreichen – Kündigungsschutz- und Mängelbehebungsverfahrens abzuhalten. Unter anderem hielt er dem klagenden Mieter vor, sein vertragliches Optionsrecht seinerzeit nicht formgültig und damit wohl überhaupt nicht wirksam ausgeübt zu haben, was auf dessen Ansprüche aus Mietvertrag enorm negative Auswirkungen hätte. Was war geschehen?

​​​​Mietvertragliches Optionsrecht

Eine mietvertragliche Option berechtigt den Mieter, den Mietvertrag durch einseitige Gestaltungserklärung um eine bestimmte Frist, oftmals 5 Jahre, zu verlängern. Im Normalfall ist dieses Recht – analog einer Kündigung – unter Einhaltung einer bestimmten Frist auszuüben, meistens sechs oder zwölf Monate vor dem regulären Vertragsablauf. Gesetzlich ist die Ausübung des Optionsrechts nicht an eine bestimmte Form gebunden. Weil es sich aber um ein wichtiges einseitiges Gestaltungsrecht des Mieters handelt, wird meistens die einfache Schriftform vorbehalten, d.h. die Options-Ausübungserklärung hat in einem vom Mieter unterzeichneten Dokument zu erfolgen. Und weil der Nachweis der Einhaltung der Ausübungs-Frist von grosser Bedeutung ist, wird in der Praxis oftmals bestimmt, die Ausübung müsse mit eingeschriebenem Brief erfolgen.

Originalton Mietvertragsformular GastroSuisse/2008 (Ziff. 5.2.2): „Dieses Optionsrecht fällt dahin, wenn der Mieter die Option nicht spätestens 6 Monate vor Ablauf des befristeten Mietverhältnisses mit eingeschriebenem Brief (Datum der Postaufgabe) geltend macht.“

In unserem Fall war der Mietvertrag bis am 30. Juni 2015 befristet. Die sechsmonatige Optionsfrist reichte demnach zurück bis zum 1. Januar 2015. Um den letzten Tag vor Fristbeginn, den 31. Dezember 2014, sicher nicht zu verpassen, erklärte der Mieter bereits mit Brief vom 31. Oktober 2014, den Mietvertrag um 5 Jahre verlängern zu wollen. Der Vermieter nahm das Optionsschreiben stillschweigend entgegen. Seit dem 01. Juli 2015 vollziehen die Parteien den Mietvertrag weiterhin, wenn auch im Streit über die gegenseitigen Pflichten bei der Vertragserfüllung.

Und nun, anlässlich einer Einigungsverhandlung Ende September 2016, wirft der Richter in die Run-de, weil die Optionsausübung nicht eingeschrieben erfolgte, sei fraglich, ob sie rechtlich überhaupt beachtlich sei. Er tut dies, obwohl beide Parteien den Mietvertrag seit dem 01. Juli 2015 als um 5 Jahre verlängert betrachten. Träfe die Auffassung des Richters zu, dann würde das fortgesetzte Mietverhältnis seit Anfang Juli 2015 als „unbefristetes“ gelten und wäre vertragsgemäss unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist auf jedes Monatsende (ausser Dezember) kündbar.

Einschreiben: strenge Gültigkeits- oder blosse Beweis-Form?

Das Bundesgericht hatte im Jahre 2011 (BGE 138 III 123 ff.) einen Fall zu beurteilen, in welchem der Mieter seine schriftlich Optionsausübungs-Erklärung ebenfalls sehr frühzeitig und persönlich im Büro des Vermieters überreicht hatte. Unmittelbar nachdem der befristete Mietvertrag abgelaufen war, stellte der Vermieter bei Gericht das Ausweisungsbegehren. Im Prozess stellte sich heraus, dass der Mieter vergessen hatte, das Optionsausübungs-Schreiben zu unterzeichnen. Da der Vermieter nicht zu beweisen vermochte, dass er den Mieter anlässlich der Überreichung auf diesen Mangel aufmerksam gemacht hatte, entschied das Bundesgericht zugunsten des Mieters: aus der Erklärung gehe eindeutig hervor, dass der Mieter den Vertrag um die Optionsdauer verlängern wolle. Das Fehlen der – individualisierend wirkenden – Unterschrift sei behoben durch die persönliche Übergabe. Das Stillhalten des Vermieters, der den Mangel frühzeitig erkannt hatte, erachtete das Bundesgericht als Verstoss gegen Treu und Glauben im Geschäftsverkehr (Art. 2 ZGB). Es liess auch den Einwand des Vermieters nicht gelten, bei einer formungültigen Kündigung eines Vermieters könne der Mieter den Nichtigkeitsgrund des Formmangels auch erst irgendwann später geltend machen. Denn für die Ausübung einer Option sei vom Gesetz – anders als bei der Kündigung - keine bestimmte Gültigkeitsform vorgeschrieben, und aus den Umständen ergebe sich, dass vorliegend die Schriftform bloss zu Beweiszwecken vereinbart worden sei.

Anders wäre zu entscheiden gewesen, falls der Vermieter seinen angeblichen Hinweis auf die fehlende Unterschrift hätte beweisen können. Diesfalls hätte nämlich der Mieter genügend Zeit gehabt, den Mangel zu beheben, weshalb sich das Risiko aus dem Formmangel zu seinen Lasten ausgewirkt hätte.

Analogieschluss möglich? 

Auf unseren Fall übertragen würde das bedeuten, dass der Vermieter den Formmangel der frühzeitig ausgeübten Option unmittelbar nach deren Erhalt hätte beanstanden müssen, wenn die Einschreibe-Qualität für ihn ein Gültigkeitserfordernis gewesen wäre. Indem er den Mieter jedoch seit damals und bis heute im Glauben liess, die Option sei einwandfrei ausgeübt und daher gültig, würde er gegen das Rechtsmissbrauchsverbot verstossen, wenn er sich nach Jahr und Tag auf die Formungültigkeit der seinerzeitigen Optionsausübung berufen würde.

Ob dieses „argumentum per analogiam“ aber verfangen wird, muss sich vor Schranken erst noch erweisen.


© by Dr. iur. Peter P. Theiler | CH-8001 Zürich | www.gastrolegal.ch |

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