Handschlag

Arbeitsvertrag per Handschlag?

​Ein Winterthurer Wirt hat den Heimweh-Mundart-Hit wohl wörtlich genommen, wo besungen wird, dass im heilen Bergdorf „der Handschlag noch gilt“.

Kürzlich suchte er für sein RestaurantPoesia nach einer geeigneten Fachkraft, die ihn zumindest teilweise hätte ersetzen sollen. Aber Winterthur ist schon seit mehr als 750 Jahren kein heiles Dorf mehr. Als sich nämlich ein Italiener bewarb, wurden die beiden nach einem Schnupper-Tag schnell einig und schlossen per Handschlag einen Arbeitsvertrag zum Netto-Lohn von CHF 4‘000.- pro Monat.

Doch bereits am ersten Tag monierte der Angestellte, dass er an früheren Stellen mehr als „diesen Hungerlohn“ verdient habe. In den darauffolgenden Tagen rissen die Diskussionen um Restaurantbetrieb und Lohn nicht ab. Insbesondere weigerte sich der Arbeitnehmer, die vom Arbeitgeber nachträglich schriftlich festgehaltene Vereinbarung zu unterzeichnen. Bereits nach 8 Arbeitstagen trat daher der Arbeitgeber auf die Notbremse und kündigte das Arbeitsverhältnis innert der 14-tägigen Probezeit im Beisein eines Zeugen. Noch am selben Abend zahlte der Restaurantbesitzer dem Italiener den ihm zustehenden Lohn bar auf die Hand, und zwar inklusive der (zufolge Probezeit bloss) 3-tägigen Kün-digungsfrist. Damit nicht zufrieden, zog der Entlassene den Wirt vor die Schlichtungsbehörde, wo er gestützt auf die Vorschriften über die ordentliche Kündigung und die Mindestlöhne eine Entschädigung für den laufenden sowie den folgenden Monat in Höhe von CHF 6‘500 forderte. - Zwar gab der Friedensrichter dem Poesia-Wirt Recht. Um aber die leidige Angelegenheit möglichst rasch hinter sich zu bringen, bezahlte der Arbeitgeber dem seines Erachtens „wortbrüchigen Gauner“ trotzdem noch 10% der ungerechtfertigten Forderung.

Mündliche Arbeitsverträge grundsätzlich gültig

An sich ist der Arbeitsvertrag nicht an eine bestimmte Form gebunden, sondern – abgesehen von den im Gesetz aufgezählten Ausnahmen (z.B. Lehrvertrag) – auch mündlich gültig (Art. 320 Abs. 1 OR). Ein Arbeitsvertrag kann sogar stillschweigend zustande kommen, wenn der Arbeitgeber Dienstleistungen auf Zeit entgegen nimmt, deren Leistung nach den Umständen nur gegen Lohn zu erwarten ist(Art. 320 Abs. 2 OR). Um also klare Verhältnisse zu schaffen, sowie aus Beweisgründen, ist es empfehlenswert, Arbeitsverträge schriftlich abzuschliessen (Art. 4 Abs. 1 L-GAV). Wird kein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen, muss der Arbeitgeber seit 2006 im Falle von unbefristeten bzw. für länger als einen Monat befristeten Arbeitsverträgen den Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses schriftlich über die wesentlichen Vertragsbedingungen informieren (Art. 330b OR: Namen der Vertragsparteien, AV-Beginn, Funktion, Lohn / -Zuschläge, wöchentliche Arbeitszeit). Dies gilt auch für Änderungen dieser Konditionen.

Schnuppertage als Probezeit?

Von der Probezeit zu unterscheiden sind sogenannte Probe- oder Schnuppertage, die dem gegenseitigen Kennenlernen dienen. Falls solche vom Arbeitgeber verlangt werden und der Mitarbeitende an diesem Tag vollwertige Arbeit leistet, ist diese mit entsprechender Lohnzahlung zu vergüten.

Schutz des Gastwirts vor unterstellten Arbeitsverträgen

Ein Arbeitgeber hat es also in der Hand, sich vor ungerechtfertigten Entschädigungsforderungen aus fälschlich unterstellten Arbeitsverträgen zu schützen, indem er die Durchführung von unentgeltlichen Schnuppertagen als solche schriftlich bestätigt. Und Arbeitsverträge sollen schon vor dem Arbeits-Antritt und jedenfalls schriftlich abgeschlossen werden, damit – falls die Poesia verflogen ist – die verbleibende Prosa schwarz auf weiss belegt werden kann.

© by Dr. iur. Peter P. Theiler | CH-8001 Zürich | www.gastrolegal.ch | ​GOURMET-Artikel 2016/09


Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Ihren Besuch stimmen Sie dem zu.