Wer haftet bei Betriebsübertragung für die Ansprüche der Arbeitnehmenden?

Eine Betriebsübertragung (Art. 333 OR) liegt vor, wenn die Identität des Betriebes nach der Übertragung durch den neuen Betreiber erhalten bleibt. Dafür ist keine vertragliche Beziehung zwischen dem früheren und dem neuen Betriebsinhaber erforderlich. Die Identität eines neu vermieteten Restaurants wurde vom Arbeitsgericht Basel Stadt bejaht, weil von beiden Betreibern das gleiche Betriebskonzept angeboten wurde.

Was hat sich zugetragen?

Die Klägerin war seit Mai 2015 als Serviceangestellte der *Ante GmbH (*alle Namen und Jahreszahlen geändert) tätig, die als Mieterin das Restaurant *Waldburg betrieb. Ab dem 27.2.2016 war sie zu-nächst zufolge Krankheit und anschliessend zufolge Schwangerschaft bis zur Geburt am 12.6.2016 arbeitsunfähig. Nach der Niederkunft stand sie während 16 Wochen unter gesetzlichem Kündigungsschutz.  Ab Anfang April 2016 übernahmen vorerst die späteren Inhaber persönlich und ab Anfang August 2016 die neu gegründete *Nova GmbH das Restaurant Waldburg im Mietvertrag. Allerdings weigerten sich die Übernehmer, die Klägerin zu beschäftigen.  Nach einem erfolglosen Schlichtungsverfahren klagte die Klägerin im Oktober 2017 gegen die Nova GmbH auf Zahlung von CHF 25‘503.- für Lohnzahlung, 13. Monatslohn, Ferienlohn und Krankentaggeld. Das Arbeitsgericht verurteilte im November 2017 die Nova GmbH zur Zahlung von CHF 12'768.90 netto nebst Zins zu 5% seit 12.9.2016 und wies die Mehrforderung ab.

Was ist eine „Betriebsübertragung“ im Sinne des Arbeitsrechts?

Kernpunkt des Verfahrens bildete die Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Frühjahr 2016 bzw. – nach Beendigung des Mutterschaftsurlaubs - im August 2016 infolge Betriebsübertragung gemäss Art. 333 OR von der früheren Betriebsinhaberin Ante GmbH auf die Beklagte Nova GmbH über-gegangen war.

Die Anwendung von Art. 333 OR setzt die Übertragung eines Betriebes voraus. Gemäss Lehre und Praxis ist ein „Betrieb eine auf Dauer gerichtete, in sich geschlossene organisatorische Leistungseinheit, die selbständig am Wirtschaftsleben teilnimmt“. Von einem Betriebsübergang kann lediglich gesprochen werden, wenn danach im Wesentlichen derselbe Betrieb weitergeführt wird, dieser also seine Identität bewahrt. Dies ist aufgrund sämtlicher konkreter Umstände zu beurteilen. Für die Wahrung der Identität sprechen etwa der Übergang von Infrastruktur und Betriebsmitteln sowie die Übernahme der Kundschaft. Indizien können auch die personell gleich bleibende Unternehmensleitung, der Verbleib im alten Geschäftslokal sowie die Übernahme eines wesentlichen Teils der Belegschaft sein. Hingegen stellt der blosse Verkauf des Inventars noch keinen Betriebsübergang dar. In einer europarechtskonformen Auslegung von Art. 333 OR hat das Bundesgericht festgehalten, dasseine vertragliche Bindung zwischen dem früheren und dem neuen Betriebsinhaber keine notwendige Voraussetzung für einen Betriebsübergang i.S. von Art. 333 OR ist (BGE 123 III 466).

Anlässlich der Hauptverhandlung führten die Inhaber der Beklagten Nova GmbH u.a. aus, dass das Restaurant Waldburg unter der vorherigen Betreiberin Ante GmbH, bis am 31.3.2016 geöffnet hatte. Den Mietvertrag hätten sie zunächst persönlich nahtlos per 1.4.2016 übernommen. Nachdem das Restaurant eine Woche geschlossen gewesen und gereinigt worden war, hätten sie es am 8.4.2016 bereits wieder eröffnet. Das Grossinventar habe man, wie dies im Gastgewerbe üblich sei, von der Vermieterin als Mietinventar, das Kleininventar wie Geschirr, Besteck, Tischwäsche etc. von der Vorgängerin als Kaufinventar übernommen. Erst im August 2016 hätten sie die Beklagte Nova GmbH gegründet. Diese biete böhmische Spezialitäten und tschechisches Bier an. Als weiteres Merkmal ihrer Küche bezeichnet die Beklagte die Verwendung von frischen Produkten, im Gegensatz zur Vorgängerin, welche nur mit Convenience-Produkten gearbeitet habe.

Aus den Erwägungen des Arbeitsgerichts:

Dass die Ausrichtung der Speisekarte nicht wesentlich änderte, erhellt sich u.a. aus der Berichterstattung über das Restaurant Waldburg in einer Lokalzeitung in den Jahren 2015 und 2016. So werden in einem Beitrag vom Juli 2015, als noch die Ante GmbH den Betrieb führte, auf die böhmischen Spezialitäten sowie die Verwendung von marktfrischen, saisonalen Zutaten hingewiesen und das tschechische Bier vom Fass als Spezialität angepriesen. Aber auch in einem Artikel vom Mai 2016 werden böhmische Spezialitäten, die Verwendung frischer Produkte und das tschechische Bier vom Fass hervorgehoben. Ferner wird im letzteren Beitrag betont, dass die späteren Inhaber der Nova GmbH ihre Liebe zur böhmischen Küche sehr spontan vom Inhaber der Ante GmbH übernommen hatten. Mithin ist festzuhalten, dass unter beiden Betreibern die böhmischen Küche und tschechisches Bier angeboten wurden. Das Kaufinventar wurde zunächst von einem späteren Gesellschafter der Beklagten Nova GmbH übernommen und mit Vertrag von August 2016 als Sacheinlage auf diese übertragen. Änderungen am Erscheinungsbild des Restaurants wurden keine vorgenommen. Vielmehr wurde der bisherige böhmische Stil als Betriebskonzept beibehalten.

Unter diesen Umständen blieb die Identität des Betriebes seit Anfang April 2016 gewahrt, weshalb von einer Betriebsübernahme im Sinne von Art. 333 OR auszugehen ist. Dementsprechend ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin im April 2016 zunächst auf die künftigen Gesellschafter der Beklagten übergangen. Gemäss Art. 336c Abs. 1 lit.c OR geniesst eine Arbeitnehmerin Kündigungsschutz während der Schwangerschaft und in den 16 Wochen nach der Niederkunft Mitte Juni 2016. Da also das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Zeitpunkt der Gründung der Beklagten Nova GmbH im August 2016 zufolge Unkündbarkeit immer noch Bestand hatte, ist es schliesslich auf die Beklagte übergegangen. Die Betriebsübertragung hat rechtlich zur Folge, dass die Erwerberin Nova GmbH aufgrund des gesetzlichen Übergangs für die in diesem Zeitpunkt bestehenden Forderungen der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis haftet, und zwar solidarisch mit den bisherigen Arbeitgebern, d.h. vorliegend mit der früheren Arbeitgeberin Ante GmbH und mit den interimistischen Mietern bzw. späteren Inhabern der Nova GmbH persönlich (Art. 333 Abs. 3 OR). Der Übergang bedeutet weiter, dass alle Ansprüche der Arbeitnehmerin, die an deren Dienstalter anknüpfen, vollumfänglich in alter Höhe erhalten bleiben (vgl. Urteil des Arbeitsgerichts BS, GS 2011.20).

Fazit: Beim Mieterwechsel auf einem Gastgewerbebetrieb ist – nebst anderen wesentlichen Themen - immer auch die Frage des allfälligen Übergangs von Arbeitsverhältnissen rechtlich genau zu prüfen und ggf. schriftlich zu regeln, speziell auch die Abgrenzung der Haftung für Ansprüche des Personals aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis.


© by Dr. iur. Peter P. Theiler | CH-8001 Zürich | www.gastrolegal.ch |GOURMET-Rechtsartikel 2018/07+08

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