Wem gehört das Trinkgeld?

Der Wirt des Gasthofes „zum goldenen Lamm“ ist der Ansicht, dass es vielfach vom Zufall abhängt, wer von seinen Angestellten wieviel Trinkgeld erhält. Er hat deshalb angeordnet, dass alle erhaltenen Trinkgelder in eine gemeinsame Kasse („Tronc-System“) gelegt werden und diese dann unter allen Angestellten zu gleichen Teilen ausbezahlt werden, d.h. auch die nicht im Service eingesetzten Mitarbeiter profitieren davon. Darf er so vorgehen?

​Grundsatz: Trinkgelder bilden keinen Lohnbestandteil

Offiziell gibt es im Gastgewerbe keine Trinkgelder mehr. Der Service ist im Konsumationspreis inbegriffen. Der Landes-Gesamtarbeitsvertrag des Schweizer Gastgewerbes hält denn auch ausdrücklich fest, dass der Einbezug freiwilliger Kundenleistungen wie Trinkgelder ins Lohnsystem unzulässig ist (Art. 9 Abs. 3 L-GAV). Der Wirt darf deshalb nicht weniger Lohn als vereinbart wurde, ausbezahlen mit dem Hinweis, der Rest werde mit Trinkgeldern verdient. Ebenfalls darf er nicht den Mindestlohn gemäss Gesamtarbeitsvertrag unterschreiten.

Auch wenn offiziell die Trinkgelder abschafft wurden, ist es dennoch nicht unüblich, dass die Gäste ihre Zufriedenheit mit dem Service über die Entrichtung von Trinkgeldern ausdrücken. Bei diesen handelt es sich um freiwillige Zusatzleistungen der Gäste. Diese werden in der Branche als Overtips bezeichnet und sind weder im Gesetz noch im Gesamtarbeitsvertrag ausdrücklich geregelt.​​​

Wem gehören die Overtips?

Aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers folgt die Pflicht des Arbeitnehmers, über alles Rechenschaft abzulegen und alles herauszugeben, was er im Rahmen seiner Tätigkeit von Dritten für den Arbeitgeber entgegengenommen hat (Art. 321b OR). Overtips fallen nicht unter diese Herausgabepflicht, da sie für den Arbeitnehmer und nicht für den Arbeitgeber bestimmt sind. Overtips gehören demnach grundsätzlich dem Arbeitnehmer, der den Overtip in Empfang nimmt – ausser der Kunde ordnet ausdrücklich etwas anderes an. Bestimmt der Kunde beispielsweise, dass der Overtip der Küche zukommen soll, weil er so begeistert von der Küchenleistung ist, hat der Empfänger diese Anweisung zu beachten.

Darf der Wirt Regeln über die Verteilung der Overtips erlassen?

Mit Overtips belohnen die Gäste das Personal. Unbestritten ist daher, dass Overtips ohne anderslautende Abrede den Angestellten zukommen und der Wirt nicht eigenmächtig das Geld einbehalten darf. Es existieren aber keine gesetzlichen Bestimmungen und auch der Gesamtarbeitsvertrag sieht keine Regelung vor, wie Overtips konkret zu verteilen sind. Nur wenn der Gast sich ausdrücklich zur Verwendung des Overtips äussert, ist eine derartige Weisung als Wille des Schenkers zu beachten. Solch konkrete Anweisungen bilden aber die Ausnahme. Üblicherweise überreichen Gäste die Overtips kommentarlos oder mit einem Hinweis, dass es so stimme. Der Arbeitgeber darf über die Verteilung der Overtips entscheiden, benötigt hierfür aber die Zustimmung der Angestellten. Es ist daher zu empfehlen, die Verteilung der Overtips in Arbeitsverträgen oder in speziellen Tronc-Reglementen zu regeln. Dann steht einem Tronc, dessen Gelder an alle Angestellten zu gleichen Teilen verteilt werden, nichts entgegen.


© by Dr.iur. Eliane E. Ganz, LL.M. | CH-8001 Zürich | c/o GastroLegal | Dr. iur. Peter P. Theiler, Zürich | www.gastrolegal.ch |

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